Mein Deutschlehrer war erzkatholisch. Seine Haut blass, sein Gang schlurfend, der Kopf zu groß für seinen Körper, die Augen blutunterlaufen und weit aus den Höhlen herausragend. Er schmiss Stühle gegen die Wand und schrie, bis ihm die Spucke aus dem Mund sprang. Ich hätte eigentlich einen Regenschirm gebraucht, denn ich saß vorne mit meinen langen schwarzen Haaren, langen Nägeln und dick aufgetragenem Eyeliner, den ich mir nach der Schule schnell aus dem Gesicht wischte, bevor mein Vater ihn sah. Die Pubertät wirbelte mich durch einen Sturm von Horror und Emanzipation. So existierte ich im Klassenzimmer des Mannes mit den Monsteraugen in einem Spannungsfeld zwischen Sexualisierung und verachtungsvoller Ablehnung.

Ablehnung für meine Weiblichkeit war nichts Neues, aber die strafenden Reaktionen des Lehrers galten nicht nur dem Körper, in dem ich steckte, sondern allen, deren Körper meinem ähnlich waren. Er schrie: „IHR denkt, ihr müsst euch nicht anpassen“, um kurz darauf einen lüsternen Kommentar auf uns loszulassen. In seinem Klassenzimmer verflochten sich meine Muskeln den Rücken hinauf zu tausend Knoten, einer Straße zwischen Stadt und Land in Afghanistan, durch die mein Atem nicht hindurchpasste. Krieg und Herrschaft äußern sich desorientierend im Körper. Geistesabwesend stellte ich mir vor, wie meine Wut mich entstellte, verformte, entsexualisierte. Eine Entmenschlichung durch Transformation, ein Selbstschutz.

Heute denke ich über meine eigene Heimatlosigkeit nach und darüber, wie eine Einladung, nach Hause zu kommen, aussehen könnte. Füße auf dem Boden, Geist im Körper, Körper auf der Welt, ein Zuhause. Damals zog es mich zum Body Horror, einem Subgenre des Horrors, in dem der Körper zum Schauplatz von Schmerz, Verletzlichkeit und Macht wird. Die Zuschauenden erfahren einen biologischen Horror durch unfreiwillige radikale Veränderungen des Körpers, durch Mutationen, Metamorphosen, Verstümmelungen oder andere Formen der Entstellung. Für mich war es zum einem eine subversive Konfrontation mit tabuisierten Seiten unseres Alltags, zum anderen repräsentierte Body Horror einen der wenigen Orte, an dem ich meine Ängste anerkannt sah. Und das, obwohl das Genre ursprünglich sadistische oder masochistische Gefühle bei den meist jungen männlichen Zuschauern hervorrufen sollte.

Durch die Transformation des (oft) weiblich gelesenen Körpers lässt sich verstärkt mit zeitgenössischen kollektiven Ängsten und Traumata arbeiten; das Genre bietet tiefere Einblicke in die Zerstörung der Erde durch den Menschen – eine Selbstzerstörung, eine Krise mit uns selbst und unserer Existenz auf diesem Planeten. Mit dem Film „Alien“ (1979) fand das Body-Horror-Genre seinen Weg in den westlichen Mainstream. In „Prometheus“ (2012), Teil der „Alien“-Reihe, machen sich die Wissenschaftlerin Shaw und ihre Forschungsgruppe auf die Suche nach Hinweisen auf außerirdische Ursprünge des menschlichen Lebens, mit der Hoffnung, ihre Schöpfenden anzutreffen. Diese beabsichtigen, die Welt zu zerstören. Der Grund bleibt unklar, aber die Bestrafung der Menschheit erscheint naheliegend. Shaws Menschlichkeit äußert sich in ihrem Glauben und ihrer Loyalität zur Erde. Nachdem sie erfährt, dass ein Alien-Fötus in ihrem Körper heranwächst, lässt sie sich unter großen Schmerzen von einem Operationsroboter die groteske Lebensform herausschneiden. Sie überlebt, hängt sich ihr Kreuz um den Hals und macht sich auf den Weg, um die Erde zu retten. Shawns extremer Überlebenskampf, der auch der Kampf um die Rettung der Welt ist, verbindet ihren Körper mit ihrem biologischen Zuhause – der Erde.

Missy Magazine, Dossier, Horror, Beitrag 03

Die Angst um die Erde gewinnt an Beliebtheit im Horror. In „Mother!“ schwingt Jennifer Lawrence ihr goldenes Haar als Personifizierung der Mutter Erde, denn Hollywood bleibt eben Hollywood und eine kollektive Body-Horror-Angst findet meist nur Nachhall, wenn die Körper weiß, heterosexuell und normativ schön sind – und zudem weiblich und mütterlich gelesen werden. Im Gegensatz dazu war Octavia Butler ihrer Zeit weit voraus. 1984 erschien ihre Kurzgeschichte „Bloodchild“, die sich nicht nur von biologischem Essenzialismus löst, sondern auch vom kolonialen Kontext der meisten Sci-Fi-Storys. In der Kurzgeschichte haben Menschen die Erde längst verlassen, um auf dem Heimatplaneten der Tlic, einer außerirdischen Spezies, zu leben. Sowohl Menschen als auch Tlic kämpfen um ihren Fortbestand. Durch eine Symbiose tragen Menschen die Eier der Tlic aus, während Tlic den Menschen Wohlbefinden und eine längere Lebenszeit verschaffen. Auch der junge männliche Gan trägt die Eier eines Tlic aus. Diese Abhängigkeit ist eingebettet in ein komplexes Herrschaftsverhältnis, doch sie liefert auch die Einsicht, dass unser Überleben nicht nachhaltig auf Unterdrückung beruhen kann.

Denn eines ist klar: Durch die systematische Ausbeutung der Erde wird nicht nur die Natur missachtet, sondern vor allem auch Frauen, indigene Völker, Menschen ohne Kapital, Menschen mit Be_hinderungen – und schlussendlich wir alle.

Dieser Text erschien zuerst in Missy 05/20.