Von Lara Sielmann

Als das Schauspiel Dortmund seine neue Intendantin ab der Spielzeit 2020/21 verkündete, dürften einige Stadt- und Staatstheaterakteur*innen gestutzt haben: Julia Wissert, weiblich, U40, Schwarz – bedenkt man, dass fast achtzig Prozent der Intendanzen männlich, (meist) Ü40, weiß besetzt sind, war das innerhalb der bestehenden Strukturen in Deutschland tatsächlich eine Überraschung. Was in der freien Theaterszene an strukturellen Diversitäts- und Genderdiskursen auf und fernab der Bühne geführt wird, spiegelt sich im etablierten Ensembletheater bisher kaum wider.

Einem größeren Kreis an Theaterschaffenden wurde Julia Wissert 2012 bekannt, als sie für ihre Inszenierung von Ibsens „Nora“ beim Körber Studio Junge Regie den Publikumspreis erhielt. „Alle meinten danach, jetzt kann sie nach Berlin ans Gorki und postmigrantisches Theater machen“, erzählt Wissert zunächst etwas vorsichtig. „Da habe ich zum ersten Mal realisiert, dass ich keine Regisseurin bin, sondern eine Schwarze Regisseurin. Ich hatte mich bis dato immer sehr gewehrt, mich mit Texten von Schwarzen Autor*innen zu beschäftigen, weil ich dachte, dass ich diese Projektion eben nicht bedienen möchte.“ Julia Wissert bedenkt sehr genau, wie sie was formuliert, auch im Missy-Interview. „Ich habe

mich gefragt, warum ich immer mit Menschen arbeite, die nicht so aussehen wie ich, für ein Publikum, das mich auf der Straße nicht sieht. Auch die Darstellung Schwarzer Menschen im Theater hat mit mir als Zuschauerin nichts zu tun: Sie sind auf der Bühne meist Gewalt ausgesetzt oder sprechen kaum. Wie kann ich also mein Denken, meine Praxis, meine Kunst so weiterentwickeln, dass ich nicht einen weißen Blick reproduziere?“

Ihre Diplomarbeit schrieb Julia Wissert über strukturellen Rassismus am Theater. Vor drei Jahren entwickelte sie die Antirassismus-Klausel mit, die u. a. Theater auffordert, bei rassistischen oder diskriminierenden Übergriffen in der Zusammenarbeit mit freien Künstler*innen oder Gruppen einen Antirassismus-Workshop zu belegen. Eine Notwendigkeit, die einige Theater nicht sehen, beschreiben sich doch viele als diskriminierungsfreie Orte. „Struktureller Rassismus am Arbeitsplatz findet fast überall statt. Für mich ist es wichtig, betroffenen Personen eine Stimme zu geben und nicht eine Institut…