Es stellen sich mir zwei Fragen: Liegt meine große Vorfreude auf die Ausstellung „Die Sonne um Mitternacht schauen“ an dem Umstand, dass noch vor Kurzem ein Museumsbesuch ausgeschlossen war? Oder liegt sie vielmehr an ihrer hochkarätigen – und besonders umfassenden – Auswahl interdisziplinär arbeitender Künstler*innen, die sich seit den 1950er- Jahren bis heute explizit mit Themen rund um Geschlecht und Identität, Gewalt und Hierarchie sowie Konsum und Politik auseinandersetzen? Wenngleich wohl eine Mischung aus beidem, steckt in meiner zweiten Frage schon die Antwort. Um diese vielen unterschiedlichen Werkkorpora zu fassen, entlieh das Lenbachhaus München den poetisch klingenden Titel eines Bildzyklus Katharina Sieverdings. Die in Prag geborene, deutsche
Künstlerin scheint in ihren Fotografien, meist seriellen, hoch kontrastierten
Selbstporträts, die vermeintlichen Gegensätze von Mikro- und Makrokosmos, von du und ich, von Frau und Mann aufzulösen. Und greift damit das Konzept der Ausstellung: dass – so andersartig ein jeder (künstlerischer) Zugang, ein jeder Fokus der dort versammelten, teilweise im Abstand von sechzig Jahren agierenden Kunstschaffenden auch ist – der Feminismus dies alles, jeden Bereich unserer Lebensrealität(en) zur Sprache bringen muss. Eben weil er Teil von allem ist.