Jenseits der Opferkonkurrenz

„Erinnern stören“ fragt nach, wer nach dem deutschen Mauerfall explizit von der Feier ausgeladen wurde.

Von Juri Wasenmüller

„Die Marginalisierung und Unsichtbarmachung migrantischer und jüdischer Stimmen stellte 1989 gewissermaßen eine Notwendigkeit auf dem (Rück-)Weg zur deutschen Identität dar“, schreiben die Herausgeber*innen im Intro von „Erinnern stören“. Mit ihrem Sammelband eröffnen sie einen Raum des Dialogs für jene Stimmen, die immer da waren, aber in der deutschen Inszenierung als „Nation der Erinnerungsweltmeister*innen“ zum Schweigen gebracht werden sollten. Janko Lauenberger und Hamze Bytyçi berichten von antiziganistischen Angriffen im Osten und Kettenduldungen aufgrund eines unsicheren Aufenthaltsstatus im Westen. Dmitrij Kapitelman spricht über die Baseballschläger- Jahre

als jüdischer Kontingentgeflüchteter in einer Platte in Leipzig- Grünau. Dan Thy Nguyen gibt Einblick in die historischen Konfliktlinien zwischen nord- und südvietnamesischen Communitys in Ost- und Westdeutschland.

Missy Magazine 05/20 - Literaturaufmacher
© Madita Rabe

Durch Interviews, biografische Erzählungen, essayistische Dialoge und wissenschaftliche Analysen ziehen sich viele rote Fäden: das Gefühl, beim nationalen Taumel am 09. November explizit ausgeladen zu sein, die Erinnerung an die Pogrome und Brandanschläge der frühen 1990er, an strukturellen Rassismus unter dem Deckmantel des „antifaschistischen Schutzwalls“, die Verschärfung des Asylrechts 1992. Der Prozess des Erinnerns wird zu einer politischen Praxis, bei der es weder um Behauptung einer gleichen Erfa…

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