Mit Masken, Musikvideos und Stimmexperimenten erkundet Jam Rostron alias Planningtorock die Facetten von Genderidentität. Songs wie „Patriarchy Over & Out“ oder „Misogyny Drop Dead“ sind tanzbare Ansagen und erzählen eine Lebensgeschichte, in der Rostron ohne klassische Schulausbildung und entgegen institutioneller Widerstände lernte, elektronische Musik zu komponieren, und ein beachtliches Werk von vier Studioalben und einer Oper veröffentlichte. Seit März arbeitet Rostron im Auftrag des Rundfunkchors Berlin an der Konzertinstallation „The World To Come“. Unter Regie von Tilman Hecker interpretieren Künstler*innen wie Moor Mother, Colin Self, Mohammad Reza Mortazavi und Planningtorock das opulente Chorwerk „Missa solemnis“ von Ludwig van Beethoven, das übersetzt „feierliche Messe“ bedeutet, neu. Im 19. Jahrhundert sprengte Beethoven, der dieses Jahr seinen 250. Geburtstag feiert, damit den traditionellen Rahmen eines Gottesdiensts und galt als Kritiker der Kirche.

Missy Magazine 05/20, Rolle vorwärts, Moormother, FB

Wie hast du auf die Einladung, „Missa solemnis“ zu interpretieren, reagiert?
Wenn ich ehrlich bin, habe ich ein Problem mit der wiederholten Aufführung von Musikstücken toter weißer Männer. Allerdings wird heute angenommen, dass Beethoven bi-racial war. Ich habe mich gefragt, wie es für ihn als Komponist gewesen ist, in einem mehrheitlich weißen Umfeld zu arbeiten. Ich begann zu fragen: Wer ist Beethoven? Die Einladung spornte mich an, mehr über ihn zu erfahren. Aber mein anfängliches Interesse an dem Projekt galt den anderen eingeladenen Künstler*innen, von denen einige queer sind.

Wie hast du dich„Missasolemnis“angenähert?
Fürmichwareszunächstschwer, einen Weg hinein zu finden. Mir halfen die Worte von Tilman Hecker sehr: „Man kann mit dem Stück arbeiten, gegen das Stück arbeiten, es auseinanderziehen, auf den Kopf stellen und von innen nach außen drehen.“ Das Stück ist sehr laut geschrieben – eine Folge von Beethovens Taubheit. Seine Schwerhörigkeit ist in der Musik präsent, was ich interessant finde.

Ist Be_hinderung ein Thema, mit dem du dich bereits auseinandergesetzt hast?
Meine Schwester ist autistisch. Für sie sind Musik und Tanz wichtige Sprachen, was sich auch in meinem Song „Beulah Loves Dancing“ widerspiegelt. Musik gibt ihr den notwendigen Raum, der auf ihre Bedürfnisse ausgerichtet ist. Eine kontrollierende Gesellschaft wie unsere schafft es nicht, solche Orte bereitzustellen. Beethovens Stück wird immer lauter, er stößt sein Inneres in die Welt. Ihr Hören hat mich gelehrt, wie wichtig und hilfreich Musik sein ka…