Ein Uhr nachts im Burgerladen: „Ey, du siehst wirklich aus wie Frida Kahlo!“ Seine Freunde nicken eifrig. Ich bin zu perplex, dass ich neben Pommes auch noch diesen unnötigen Vergleich serviert bekomme, als dass ich mir irgendeine schlaue Antwort überlegen könnte. Meine Begleitung sagt noch: „Die kommen bestimmt direkt aus dem Kunst-Leistungskurs und versuchen jetzt ihr Wissen anzuwenden.“

Ob Parvati oder Padma Patil, die Germanys-Next-Topmodel-Gewinnerin Sara Nuru oder Frida Kahlo: Die Menschen denen ich angeblich haargenau gleiche, könnten unterschiedlicher nicht aussehen. In der Schulzeit wurde ich mit den wenigen anderen migrantischen Kindern verwechselt, auf dem Campus mit zwei anderen Kommilitoninnen of Color – so oft, dass ich aufgehört habe es richtig zu stellen. Diese Verwechslungen und Vergleiche sagen etwas über Sehgewohnheiten aus: Es reicht die Abweichung von deutschen Normvorstellungen, um nicht mehr als Individuum gelesen zu werden. Unerprobt in Stil und ästhetischen Feinheiten überwiegt das Bedürfnis eine Zugehörigkeit außerhalb des eigenen Genpools zu finden. Smart und subtil wie Statements die darauf abzielen mich als anders zu markieren nur sein können wird dann nicht gesagt „Ey, du siehst anders aus“ oder „Ey, du gehörst hier nicht hin“. Stattdessen werde ich mit den wenigen bekannten nicht-weißen Gesichtern aus Unterhaltung und Kunst verglichen – Menschen aus der Populärkultur, deren Backgrounds oft miterzählt werden, sodass die Suche nach meiner Zugehörigkeit zu einem Ratespiel wird.

Abgesehen davon, dass es übergriffig ist ungefragt das Aussehen anderer Menschen zu kommentieren, sagt der Frida-Kahlo-Vergleich noch mehr aus: Einige Menschen sind es nicht gewohnt dicke, schwarzhaarige Augenbrauen zu sehen, obwohl diese nun wirklich keine Seltenheit sind. Sollte man diese Beobachtung nicht gemacht haben, darf man sich fragen, in was für einem Umfeld man sich bewegt: ob vielleicht der Freund*innenkreis sehr weiß ist und wie divers Filme und Magazine eigentlich sind. Einen Frida-Kahlo-Verweis sieht man hingegen gefühlt in jedem zweiten Schaufenster: Ob als Kalender, Postkarten, Wandtattoos oder Sofakissen, eine gewellte schwarze Linie und ein Blumenkranz reichen aus um eine Künstlerin und queere Ikone auf ihre visuelle Repräsentation zu reduzieren – ein buntes Tischtuch, Augenbrauenstift und Plastikblumen oder einfach ein Instagramfilter, um sich diese anzueignen. Oftmals wird Kahlo dann noch mit an europäische Schönheitsideale angepasster Hautfarbe und ausgedünntem Oberlippenbart gezeigt, was ihren vielzähligen Selbstbildnissen widerspricht.

Arpana Aischa Berndt

ist Autorin und in der politischen Bildungsarbeit tätig. Sie studiert Kreatives Schreiben und Kulturjournalismus und beschäftigt sich in ihrer Abschlussarbeit mit Horror und Empowerment. In ihren Workshops behandelt sie Fragen zu Allyship, Allianzen und Rassismuskritik. Auf Instagram ist sie unter @a_aischa zu finden. Foto: cv studio berlin