Nach den ersten Panels scheint die Sache klar: Die israelische Zeichnerin Rutu Modan hat nach dem unglaublichen Erfolg ihrer anarchisch-fröhlichen Mädchenstory „Ketchup für die Königin“ mit „Die Tunnel“ wieder einen Kindercomic vorgelegt: Ein kleiner Junge namens Doktor jagt auf dem Handy Monster, Erwachsene jagen einen antiken Schatz, und alles ist knallbunt in feinstem Ligne-claire-Stil gehalten: Hergé und Tintin lassen grüßen. Doch bald wird die Sache erwachsener und sehr viel komplexer: Doktors Mutter, Nili, ist die slackende Tochter eines dementen Archäologen, den sie durch seinen Rivalen Motke – für den zu

allem Unglück auch ihr Bruder Broshi arbeitet – um sein Lebenswerk betrogen sieht. Um ihm am Lebensabend zu seinem Recht zu verhelfen, macht sie sich auf eigene Faust daran, in einer inoffiziellen Ausgrabung den archäologischen Supercoup zu landen, den ihr Vater nie vollenden konnte: Sie will die mythische Bundeslade finden, die Truhe mit den zwei Steintafeln mit den Zehn Geboten, die Moses von Gott empfangen hat und für deren Existenz es keinerlei Beweise gibt. Doch als Nili mit dem windigen Geschäftsmann Abuloff am Grabungsort ankommt, muss sie feststellen, dass sie bei all der Fixierung auf die Vergangenheit die Gegenwart vergessen hat: Die israelische Grenzmauer versperrt ihnen nun den Weg zum heiligen Schatz. Es folgen in rasantem Tempo abenteuerliche Allianzen zwischen militanten Siedler*innen und palästinensischen Tunnelgräber*innen, religiöser Fanatismus und egozentrische Ruhmessucht, tölpelhafte IDS- und IS-Manöver sowie eine schwule israelisch-palästinensische Lovestory.

Teile diesen Artikel