Diese Bombe ist das Symbol für das Patriarchat, für die Politiker in diesem Land und ihr System. Es hat etwas von einem missbrauchenden Vater oder Ehemann, der immer wieder Probleme schafft und dann von dir erwartet, dass du dich darum kümmerst.“ Dayna Ash ist wütend. Und sie ist müde. Seitdem am 04. August 2020 2750 Tonnen Ammoniumnitrat am Hafen der libanesischen Hauptstadt Beirut explodierten und dabei über zweihundert Menschen starben, rund sechstausend verletzt und 300.000 obdachlos wurden, ist sie im Krisenmodus.

„Die Explosion hat am 04. August angefangen, aber sie ist nie zu Ende gegangen. Wir erleben sie jeden Tag neu, wie sie sich in unserem Alltag, in unserer Stadt ausbreitet. Sie ist überall.“

In Abwesenheit des Staats, dessen Stille so laut in den Ohren der Libanes*innen dröhnt und den Ash für die Katastrophe verantwortlich macht, hat sie mit Freund*innen und Kolleg*innen Häuser und Straßen von den Trümmern befreit, Hunderttausende Mahlzeiten, Hygieneartikel, Kleidung und Bargeld verteilt. Innerhalb von 48 Stunden verwandelte sich das Büro ihrer Organisation Haven for Artists, einst ein Treffpunkt für die Kunst- und LGBTIQ-Szene Beiruts, in einen Zufluchtsort für Queere und Geflüchtete, für die, die von der Explosion am meisten getroffen wurden. „Wir wussten, dass es an allem fehlt. Dass die Explosion alles genommen hat. Wir haben vergessen zu fühlen. Niemand von uns Helfenden hat das Trauma für sich selbst verarbeitet.“

Aber nur Grundbedürfnisse zu stillen, reiche nicht, meint Ash. Sie will den Menschen vor allem ein Gefühl von Autonomie und Handlungsmacht zurückgeben. Nach einer solch traumatischen Erfahrung einen gewissen Anschein von Kontrolle zu haben, sei essenziell. Das Recht zu haben, …