Von Leandra Hanke
Fotos: Bahar Kaygusuz

Das Klackern der Dosen ist zu hören, Handschuhfinger schütteln sie und machen sie anschließend sauber. Farbe und Leiter sind im Kofferraum verstaut, im Schutz der Dunkelheit geht es mit dem Auto los, zur nächsten „Action“. Die Sprüherinnen, mit denen ich unterwegs bin, haben sich vor zwei Jahren zu einer Crew zusammengeschlossen, sie malen (sprayen) aber alle schon länger. Momentan gibt es drei Girl-Crews in Bremen, Tendenz steigend. Viele Frauen interessieren sich für Graffiti, die Szene wird jedoch weiterhin als Männerdomäne wahrgenommen. „Wenn du ein Typ bist und anfängst zu malen, dann hast du ganz viele, die dich unterstützen wollen, dich mitnehmen – als Frau eben nicht“, erklärt mir Lara*. Ihre Erfahrungen sind alle unterschiedlich, worin sie sich aber einig sind, ist, dass Gender eine Rolle spielt in der Graffitiszene wie auch in der Gesellschaft. „Es geht darum, eigene Ängste, die bei Frauen manchmal häufiger auftreten,

zu reflektieren und zu überwinden. Andersherum sollten auch Männlichkeitsideale, die oft in der Graffitiszene vorherrschend sind, hinterfragt werden“, sagt Anja*.

Wir fahren weit raus, neben uns eine Baustelle und niemand sonst auf den Straßen unterwegs. Im Vorfeld wurde mir gesagt: „Du musst keine Angst haben, aber es ist okay, wenn du Angst hast.“ Wir sind da und erkunden zu Fuß den Bahnhof, observieren die Schallwände, erspähen, ob es jemanden gibt, die*der den Bahnhof mit einer Kamera im Blick haben könnte. Wir verlassen den Bahnsteig und laufen an den Gleisen entlang, auf der Suche nach der nächsten Tür, durch die es nach draußen geht, falls ein Zug kommt. „Entweder wir verschwinden durch die Tür oder du musst dich schnell auf den Boden legen, die Lokführer dürfen uns nicht sehen“, erklärt Anja.

Graffiti bedeutet für jede Person etwas anderes, für Anja ist es der Moment, in dem sie alle ihre Sinne benutzt: hört, ob jemand um die Ecke kommt, schaut, ob jemand in der Nähe ist, und fühl…