Von Marie Serah Ebcinoglu

Es war etwa 2006, ich saß auf dem Boden meines Kinderzimmers und schob die neue „Bravo-Hits“ in den CD-Player. Ich blieb an dem Namen Tokio Hotel auf dem CD-Sleeve kleben und ließ ihren Song „Schrei“ laufen. Rückblickend kann ich sagen: Das war das Ende meiner Kindheit und der Anfang meiner Teenie-Jahre. Es war komplett um mich geschehen. Ich ließ mir das erste Album von einer Bekannten brennen, hörte es in

Dauerschleife, hängte alle Pferdeposter ab und träumte tags wie nachts abwechselnd von Bill und Tom.  Die ersten beiden Platten „Schrei“ und „Zimmer 483“ waren geprägt vom emotionalen Rock einer Jungsband, die sich mit ihrer Single „Durch den Monsun“ direkt aus dem Magdeburger Klassenzimmer in die Charts katapultierte.

Dabei hat kaum eine Band so polarisiert wie Tokio Hotel. Das mag weniger an der Musik als an den Zwillingen Tom und Bill gelegen haben, den kreativen Köpfen der Gruppe. Bill mit seinem Make-up, den auffälligen Frisuren und lackierten Fingernägeln war zu camp für die heteronormative Normalo-Jugend. Auch von der „seriösen Kritik“ wurden sie „eher belächelt als bejubelt“, schrieb die „taz“ 2008. Aber die Band war ein Phänomen und das nicht nur in meinem Kinderzimmer. Die eine Hälfte von Europas Teenagern feierte die vier Jungs in Take-That-Manier ab. Reihenweise Ohnmachtsanfälle und Zeltlager vor Konzerthallen inklusive. Die andere Hälfte reagierte ebenso heftig: Auftritte a…