Von Tanja Abou

Geruch. Ein Thema, bei dem ich sofort in meiner Kindheit lande. Flieder. In Weißlila, bündelweise ins Haus getragen, aus den verwilderten Gärten hinter den Häusern der Arbeiter*innensiedlung, in der wir wohnten. Im Hausflur, in der Küche, im Wohnzimmer – überall Flieder. Oder der Geruch von Fisch, den unsere Nachbarin zum gemeinsamen Grillen mitbrachte. Der Geruch von Sommer. Und Unbeschwertheit. Meine Frühjugend in den 1980er-Jahren riecht nach NafNaf und Oilily. Marken, deren Klamotten ich mir nicht leisten konnte–aber die billigste Version des dazu vermarkteten Geruchs schon. Ein psychologischer Trick, den sich große Labels zunutze machen: Wer kein Geld für die Handtasche hat, kann wenigstens so riechen. Dior verstand sich besonders früh darauf, die Produktpalette so auszuweiten, dass sich Fans der Haute Couture wenigstens ein

kleines Stück Luxus leisten konnten – seien es nun Strümpfe oder das 1947 auf den Markt gebrachte Parfüm Miss Dior. Diese Geschäftsstrategie setzte sich erfolgreich durch und so erschnüffelten meine Mitschüler*innen in den Schulkorridoren den Wert der Düfte. Für „Marken“ gab es Anerkennung. No Name war „billig“ und wurde gedisst. Wie gemeingültig diese Erfahrung ist, kann ich nicht sagen. Schließlich werden Menschen schon in den Schulen nach ihrer sozialen Herkunft sortiert. Kinder aus Arbeiter*innenhaushalten bitte auf Haupt- und Gemeinschaftsschulen, die Akademiker*innenkinder auf die Gymnasien. Dass das wenig mit Leistung und mehr mit sozialer Vererbung zu tun hat, ist bekannt, aber mich würde tatsächlich interessieren, ob auf dem Gymi auch aneinander gerochen wurde.

Noch schlimmer als „billig“ riechen war natürlich stinken. Ich komme nicht aus einer Welt, in der diskret darauf hingewiesen wurde, dass der Pulli oder die Jacke „etwas riechen“ würden. Auf gefühlten Gestank wurde laut, deutl…