Text: Arpana Berndt
Illustration: Tine Fetz

Ist das der Gute? Ist das der Böse? – Das sind Fragen, die ich mir als Kind beim Filmeschauen gestellt habe. Meine Schwester und ich haben früher den Film „Die Monster AG“ so oft geschaut, dass wir immer noch einige Dialoge auswendig können. Der Antagonist Randall hieß bei uns oft einfach „der Böse“. Die erzählten Figuren verkörperten Gut, Böse, Richtig und Falsch. Die Held:innen aus den Geschichten machten zwar auch Fehler, doch gingen wir jeden Schritt ihrer Entwicklung mit, sodass ihr Handeln nachvollziehbar wurde, wir sie sympathisch fanden und uns mit ihnen identifizierten. So war es sehr eindeutig, auf wessen Seite wir uns schlagen sollten.

Auf Instagram bekomme ich in letzter Zeit auch oft den Eindruck, mich für eine Seite entscheiden zu müssen. Ich folge dort hauptsächlich Menschen, die sich in irgendeiner Form mit Diskriminierungskritik auseinandersetzen bzw. über die Sozialen Medien ihre Gedanken und Erfahrungen in diskriminierungskritischen Diskursen verorten. Ich bekomme Einblicke in Alltag, Arbeit und eben gesellschaftspolitische Auseinandersetzungen. Mir werden Pläne, Träume, Aufgaben und Ziele sowie Hindernisse, Herausforderungen und Erfolge gezeigt. In Story und Feed sehe ich Freund:innen und Verbündete, aber mir werden, genau wie in den Held:innengeschichten, auch Gegner:innen erzählt.

Grade auf Instagram sind gesellschaftspolitische Inhalte sehr nah an Personen geknüpft, denen man vielleicht schon jahrelang folgt, private Einblicke in deren Leben erhält, sie sympathisch findet und eventuell sogar idealisiert. Diese Nähe macht die Inhalte für uns zugänglicher, aber es besteht auch die Gefahr, sich nicht tatsächlich mit diesen auseinanderzusetzen und einfach mal mit der Person mitzugehen, weil der Eindruck entsteht, dass du ihr entweder zustimmen müsstest oder gegen sie als Person seist. Wir kennen es doch alle: Es gibt wieder ein neues Thema, über das viel diskutiert wird, und du klickst dich von Story zu Story, um unterschiedliche Meinungen einzufangen. Vielleicht schaust du auch bei einer bestimmten Person zuerst in die Story, weil es dich am meisten interessiert, was diese eine Person sagt. Zu beobachten ist, dass oft inhaltliche Diskussionen übergehen in Auseinandersetzungen über Einzelpersonen, die sich dazu äußern. Wenn das der Fall ist, geht das oft mit einem Bashing gegen ebendiese einher, die einfach immer wieder aufeinander verweisen, statt Inhalte differenziert auszuhandeln. Es findet eben gar kein tiefergehender Austausch statt, obwohl dieser Eindruck besteht und aufrechterhalten wird, weil wir jede Minute neue Informationen auf den Bildschirm kriegen. Tatsächlich werden oft nur Aussagen und Meinungen gegenübergestellt und mit wohl kuratierten Kommentaren untermauert. Kommentare, die die eigene Position bestärken oder die vermeintlich gegenüberliegende lächerlich machen. Es ist einfach, seine eigene Position auf Instagram als die einzig Richtige darzustellen, und es ist verlockend, eine Position als die einzig Richtige für sich einzuordnen, weil Antidiskriminierungsdiskurse eben kompliziert sind und es wie in Kinderfilmen eben entspannter ist richtig, falsch, gut und böse klar verorten und ordnen zu können.

Arpana Aischa Berndt

ist Autorin und in der politischen Bildungsarbeit tätig. Sie studiert Kreatives Schreiben und Kulturjournalismus und beschäftigt sich in ihrer Abschlussarbeit mit Horror und Empowerment. In ihren Workshops behandelt sie Fragen zu Allyship, Allianzen und Rassismuskritik. Auf Instagram ist sie unter @a_aischa zu finden. Foto: cv studio berlin

 

Mir sind diese Auseinandersetzungen manchmal zu ordentlich. Damit meine ich nicht, dass sie zu nett sind (definitiv nicht) oder zu einseitig, sondern dass schnell der Eindruck entsteht, dass Diskriminierungskritik immer eindeutig sein müsse, dass keine Widersprüchlichkeiten möglich seien. Eine Person, der ich folge, hat vor Kurzem gepostet, dass sie sich über Kamala Harris Wahlsieg freut und ihre Politik dennoch scheiße findet. Ja! Mehrere Wahrheiten können nämlich nebeneinander stehen, selbst dann, wenn sie widersprüchlich scheinen.

Instagram bleibt ein wichtiges Tool, damit marginalisierte Perspektiven gehört, gesehen und gelesen werden (solange Machtgefälle und Algorithmus das erlauben). Aber sobald der Eindruck entsteht, dass über diese Plattform Ordnung in Antidiskriminierungsdiskurse gebracht wird, die eigentlich widersprüchlich, uneindeutig und messy sind und es auch irgendwie sein müssen, um differenziert geführt werden zu können, darf man zweimal hinschauen und sich vielleicht auch außerhalb von Instagram Informationen einholen.