Von Nadia Shehadeh
Illustration: Sibel Balac

Eine wirklich gute Freundin von mir wohnt im selben Haus wie ich. Ist das nicht toll? Seit fast zehn Jahren leben wir unter einem Dach. Kennengelernt haben wir uns, da war sie gerade eingezogen. Sie klingelte, stellte sich vor und fragte: „Wie läuft das denn hier mit der Flurwoche, gibt es einen Putzplan?“ Ich war sofort verliebt, denn ich hatte bisher nur Chaos bei uns im Haus erlebt, gegen das ich stoisch und im Alleingang anputzte. Unsere Freundschaft entwickelte sich langsam, aber beständig. Erst nahm sie Pakete für mich an, während ich auf der Arbeit war. Dann bestellte ich ihr irgendwann zum Dank eine kleine

Stehlampe mit Bewegungsmelder, die ihren kleinen Flur beleuchtete, wenn sie nachts mal zum Bad musste. „Was es nicht alles gibt!“, staunte sie. Ab und zu brachte sie mir selbst gebackenen Kuchen vorbei, und ich kaufte auf dem Markt Eier für sie. Manchmal schaute ich abends auf eine Tasse Tee bei ihr vorbei und saß dort oft länger, als meine dünn gesäten Nachtschlafstunden mir erlaubten.

Es kam auch vor, dass ich mich von ihr unter den Tisch trinken ließ. Sie blickte auf ein mondänes Leben zurück, hatte mit ihren mittlerweile über achtzig Jahren vieles erlebt, eine beachtliche Modekarriere hinter sich, viel Geld verdient. „Wenn du alt bist, ist das aber alles scheißegal“, bläute sie mir dann ein. „Wenn du alt bist, möchtest du nur noch eine kleine Wohnung, die du selbst in Schuss halten kannst.“ Ich nickte. „Deswegen schmeiß dein Geld nicht zum Fenster raus für teure Wohnungen, Mädchen!“, predigte sie mir und schenkte mir noch etwas ein. „Am Ende ist man nur noch damit beschäftigt, den ganze…