Now & Then: Danielle de Picciotto über Dorothy Carter
Von
Protokoll: Marie Minkov
Dorothy Carter war klein und hatte vor nichts Angst. Wenn sie in den 1980er-Jahren in Berlins Underground-Clubs spielte, dann klang das immer wie aus einer anderen Welt. Sie hat alle zum Schweigen gebracht. Gemeinsam mit der Londoner Sängerin Katherine Blake gründete sie 1996 die Band Mediæval Bæbes, die klassische Variante zu den Spice Girls, die Mittelaltergesang und Pop miteinander kombinierte.
Als Dorothy und ich uns in den 1980er-Jahren anfreundeten, war sie Mitte fünfzig und ich dreißig Jahre jünger. Sie zog in meine Wohnung und wir gingen oft zusammen aus, hatten
Freund*innen zu Besuch. Morgens saß sie drei Stunden lang an ihrer Schreibmaschine und tippte an irgendwelchen Rezepten oder Ideen. Sie erzählte mir die unglaublichsten Geschichten. Davon, wie sie Musik studieren wollte und von ihrem Zuhause in New York weglief, als ihre Eltern es ihr verboten. Wie sie mit Anfang zwanzig Kinder bekam und in einer Kommune in Maine Bastkörbe flocht. Wie sie eine Galerie in New York führte, mit einem anarchistischen Priester in Mexiko lebte, wie sie auf einem Mississippi-Dampfer anheuerte, bis ein Freund zu ihr sagte: „Komm nach Berlin.“
Dorothy besaß nur einen einzigen Koffer, der voll war mit Instrumenten. Sie fragte mich: „War…