Stopp den Bullshit
Von
Von Irène Mèlix und Juri Wasenmüller
Fotos: Agata Kalinowska
Indem die Bewegung uns vergisst, vergisst die Bewegung sich selbst.“ Die Aktivistin Margot vom Kollektiv Stop Bzdurom wirkt müde. Sie ist blass und hat die Schultern leicht vorgezogen, ihr Blick aber ist entschlossen. Während sie spricht, wechselt sie mehrmals die Position, setzt sich mal auf den Boden vor ihren Rechner, mal auf einen der Sessel.
Es ist Anfang Oktober in Warschau. Margot war den ganzen Tag damit beschäftigt, sich um sechs junge Queers zu kümmern, die am Morgen in eine Psychiatrie eingeliefert wurden. Bei einer Protestaktion hatten sie Faschist*innen angebellt wie Hunde. Teilweise gaben die Eltern der Jugendlichen ihr Einverständnis für die Gewahrsamnahme ihrer Kinder. Wenn Margot „die Bewegung“ kritisiert, meint sie damit cis Feministinnen und NGOs, die zwar gegen eine Verschärfung des polnischen Abtreibungsrechts auf die Straße gehen, Zusammenhänge mit queeren Themen aber nicht erkennen wollen. Stop Bzdurom ist einer der wenigen Anlaufpunkte für queere Jugendliche. Der Name Stop Bzdurom bedeutet „Stopp den Bullshit“. Die Gruppe gründete sich 2019, als Rechte in Polen breitenwirksam begannen, Homosexualität mit Pädophilie zu verknüpfen. Queerfeindlichkeit und
Antifeminismus versteht das Kollektiv als Teil eines allgemeinen rechten Backlashs in Polen.
„Wir wollen als trans und nicht-binäre Menschen nicht länger unsichtbar sein. Wir nehmen uns den öffentlichen Raum und genauso eignen wir uns die Mediendiskurse an, die uns als Monster, Terrorist*innen und Zerstörer*innen der Hetero- Kleinfamilie darstellen.“ Margot spricht auf Polnisch, Daria Kinga Majewski, die einfach Daria genannt werden möchte, übersetzt ins Deutsche. Das Treffen mit Margot findet im Rahmen einer Soli-Reise statt. Anfang Oktober kommen Queerfeminist*innen aus verschiedenen deutschen Städten eine Woche lang in Wrocław und Warschau mit Aktivist*innen, Wissenschaftler*innen und NGOs zusammen. Ziel der Reise ist es, grenzüberschreitende Unterstützungsstrukturen und Netzwerke für queere Kämpfe aufzubauen. Es geht den Reiseteilnehmenden, von denen viele in Ostdeutschland politisch aktiv sind, auch darum, mit Erzählungen zu brechen, die den Osten Europas als per se queerfeindlich stigmatisieren – im…