Von Franzis Kabisch

Abtreibung“ oder „Schwangerschaftsabbruch“, welchen der Begriffe soll man denn jetzt eigentlich verwenden? Diese Frage wird in feministischen Kontexten oft gestellt und nicht selten gibt es dazu ganz unterschiedliche Meinungen. Statt aber die eine „richtige“ Antwort zu suchen, lohnt es sich, die Begriffe und ihre Unterschiede einmal genauer anzuschauen. „Abtreibung“ klingt für viele nicht so schön, erinnert bestenfalls an ein „Boot, das vom Ufer abtreibt“ (Vorschlag: Duden) und schlimmstenfalls an Vertreibung oder Abstoßung. Eine negative Bedeutung an sich hat der Begriff jedoch nicht. Im Gegenteil: Bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts war „Abtreibung“ der „gängige Begriff für den Vorgang des willentlichen Abbruchs einer (ungewollten) Schwangerschaft“, wie die Wissenschaftlerin Katja Krolzik-Matthei schreibt. Erst durch seinen negativ besetzten Gebrauch hinter vorgehaltener Hand, in der Boulevardpresse oder auf Fundamentalist*innendemos wurde er immer weiter abgewertet. Eine Folge ist, dass manche Pro-Choice-Gruppen ihn heute seltener verwenden, andere jedoch gerade deswegen umso häufiger, Stichwort: positive Aneignung. Letztere wollen den Begriff – so wie Abtreibungen selbst – nicht noch weiter tabuisieren.

Als Alternative zu „Abtreibung“ hat sich der Begriff „Schwangerschaftsabbruch“ verbreitet, weil er unbelastet ist und sachlich beschreibt, worum es geht. Diese Sachlichkeit ist für viele erleichternd und eine Möglichkeit, sich von negativ aufgeladenen Zuschreibungen abzugrenzen. Von Gynäkolog*innen wird er gerne als „SAB“ abgekürzt (statt „SSA“, das Erinnerungen an die NS-Zeit weckt). Andere im medizinischen Kontext gebräuchliche Begriffe stellt der Verein Doctors for Choice Germany auf seiner Website vor, z. B. „induzierter Abort“ oder „Interruptio graviditatis“. All diesen Begriffen ist jedoch gemein, dass sie sehr lang, umständlich und eher hochschwellig sind. Im alltäglichen, aktivistischen oder popkulturellen Gebrauch klingen sie vielen zu medizinisch und zu formal. Nicht unwichtig ist für Aktivist*innen auch, dass „Schwangerschaftsabbruch“ in Social-Media-Posts einfach sehr viele Zeichen verbraucht.

Im Englischen gibt es so eine Trennung der Begriffe nicht. „Abortion“ hat die Bedeutung, etwas frühzeitig abzubrechen (neben einer Schwangerschaft kann man bspw. auch Projekte oder Pläne frühzeitig abbrechen), und wird sowohl auf Demos als auch an Universitäten benutzt. Im Französischen wird gerne „IVG“ verwendet, eine Abkürzung für „interruption volontaire de grossesse“, was auf Deutsch so viel heißt wie gewollter Abbruch der Schwangerschaft. IVG ist nicht nur kurz und knackig, mit „volontaire“ steht auch die selbstbestimmte Entscheidung im Fokus. Wenn wir diesen Begriff für den deutschsprachigen Raum übersetzen würden, könnte er „SBSA“ lauten: selbstbestimmter Schwangerschaftsabbruch.

Ob „Abtreibung“, „Schwangerschaftsabbruch“, „SBSA“ oder auch einfach nur „Abbruch“ – wichtig ist, dass man den Vorgang überhaupt beim Namen nennt. Umschreibungen wie „es wegmachen lassen“ oder „das Kind nicht bekommen“ helfen feministischen Forderungen nach körperlicher Selbstbestimmung nicht weiter. Und am Ende kommt es weniger darauf an, welchen dieser Begriffe man benutzt, sondern wie man es tut. So gibt es auch für „Abtreibung“ trotz der kontinuierlichen Abwertung viele empowernde Verwendungen (wie bei der feministischen Kampagne „Wir haben abgetrieben“) und strategisch motivierte Nutzungen (z. B. im Internet, um den Begriff bei Suchmaschinen nicht den Abtreibungsgegner*innen zu überlassen).

Dieser Text erschien zuerst in Missy 01/21.