Missy Magazine 02/21, Comicrezinsionen, die Nazijäger , Text
© 2020 Pascal Bresson, Sylvain Dorange, La Boîte à Bulles, © der deutschen Ausgabe Carlsen Verlag GmbH, Hamburg 2021.

Die Nazijäger
Am Anfang steht die berühmteste Ohrfeige der Welt: die, die Beate Klarsfeld am 07. November 1968 auf dem Berliner CDU-Parteitag unter „Nazi!“-Rufen dem damaligen Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger verpasste. Denn Klarsfeld, die als Au-Pair-Mädchen in Berlin ihren Mann Serge, einen Shoah-Überlebenden, kennengelernt hatte und sich durch ihn nicht nur mit der Nazi-Vergangenheit ihrer eigenen „Mitläufer*innen“-Familie, sondern mit der der gesamten BRD zu beschäftigen anfing, wollte nicht hinnehmen, dass ein ehemaliges ranghohes NSDAP-Mitglied ihr Geburtsland regierte. Das war der Auftakt für spektakuläre Aktionen, mit denen sich Beate und Serge für die Festnahme und Verurteilung von Nazi-Verbrechern wie Kurt Lischka, Klaus Barbie oder Maurice Papon einsetzten. Die Graphic Novel, die auf den 2015 veröffentlichten Memoiren der Klarsfelds basiert, folgt dem jahrzehntelangen Aktivismus des Paares mit Faktendichte und Politthrillerperspektive. Die detailreich gestalteten, orange-braun-grünen Panels, die die Aufbruchsstimmung der 1960er- und 1970er-Jahre ebenso wie deren Schwere evozieren, fangen schwer auszuhaltende Rückblenden sowie anrührende persönliche Momente feinfühlig ein. An mancher Stelle hätte man sich Ambivalenzen und Reflexionen gewünscht, etwa gegenüber damals gängigen Sexismen (Beate macht sich auf ihren Auslandseinsätzen Sorgen, ob „ihre Männer“ zu Hause genug saubere Wäsche haben) oder politischen Äußerungen wie Beates Unterstützung des Rechtspopulisten Sarkozy im Wahlkampf 2012. Doch der Comic feiert in erster Linie den Mut im Kampf gegen Nazis – wichtig! Sonja Eismann

Pascal Bresson & Silvain Dorange „Beate und Serge Klarsfeld: Die Nazijäger“ Aus dem Französischen von Christiane Bartelsen. Carlsen, 208 S., 28 Euro. VÖ: 23.03.

Diese Texte erschienen zuerst in Missy 02/21.