Von Armeghan Taheri

Das Blut rotiert wie ein wilder Sturm durch den Körper, bis es als pulsierender Herzschlag in die Ohren wirbelt. Der Raum breitet sich visuell aus, um alle Ausgänge freizulegen, die dann wie ein Hex-Code innerhalb von Sekunden auf ihre Entschlüsselung warten. Ich renne die Treppe hoch, anstatt in dem Bereich mit mehr Ausgängen zu bleiben. Auf dem Weg greife ich nach dem Telefon, renne ins Badezimmer mit der fragilen Tür. Eine Tür gibt mir Zeit, das Telefon in meiner Hand ist feucht von meinem Schweiß. Ich habe keine Angst, ich bin ein zorniger Teenager. Ich gebe 110 ein. Ich lege auf. Ich rufe die Polizei, schreie ich hinter die Tür als Drohung. Aber ich würde niemals die Polizei rufen. Niemals. Diesen Kampf trage ich alleine aus, dann muss eben eine*r von uns in diesem Krieg sterben. Erinnerungen an häusliche Gewalt setzen sich in mir fest als Bilder der Kriegsführung. Jahrzehntelange Militarisierung und Normalisierung von Gewalt in Afghanistan

hinterlassen bei mir generationsübergreifende Spuren im Körper, in Erinnerung, selbst in Wort und Bild. Für Familien, die Überlebende von Krieg und Gewalt sind, heißt Beendigung von Gewalt auch, die eigenen Waffen niederzulegen.

Den Kreislauf von Gewalt zu beenden heißt nicht, jemanden davon abzuhalten, gewalttätig zu sein. Das ist meistens nicht das Kernproblem. Wenn das Ziel ist, über die Notwendigkeit von Gefängnissen und Polizei und sonstigen destruktiven Staatsgewalten hinaus zu denken, bestehen die größeren Herausforderungen bei der Verhinderung von Gewalt darin, all das Bewusstsein und die Fähigkeiten zu kultivieren, um Gewalt erst gar nicht entstehen zu lassen. Das ist natürlich komplex, denn wenn wir über Gewalt sprechen, sprechen wir über alles: Krieg, Armut, Flucht, Geschlechterverhältnisse, Mehrfachdiskriminierung … Also auch über den Zugang zu Ressourcen und die Fähigkeit, sich selbst und unseren Familien mit Liebe zu begegnen. Das macht den Ansatz der Transformativen Gerechtigkeit nich…