Von Nadine Schildhauer

Der Begriff „Pastorale“ ist vom Lateinischen pastor abgeleitet, das bedeutet Hirte. In der europäischen Musik-, Kunst- und Literaturgeschichte steht die Pastorale für das ländliche Leben der Schäfer. Klassische Motive bilden „eine Szene mit Ackerland, eine Ernte und Bauern, die ihre Felder bestellen oder Äpfel pflücken“, erklärt Elizabeth Bernholz, bekannter unter dem Künstlerinnennamen Gazelle Twin, über Skype. Die Idealisierung und Verklärung von Natur und Heimat sowie die Abkehr vom städtischen Leben gehören zum zentralen Modus der Pastorale, die das komplexe Leben simplifiziert. In der klassischen Musik drücken das etwa Flöten, Glockenspiel und Dudelsack aus. In den bildenden Künsten geht das Genre bis in die Antike zurück und tauchte in der Zeit des Barocks sowie

der Romantik des 19. Jahrhunderts wieder auf.

Das Gazelle-Twin-Album „Pastoral“ übertrug diese vor allem künstlerische Praxis der Verklärung von Heimat schon 2018 auf das heutige Post-Brexit- Großbritannien. Mit Songs wie „Better In My Day“ (dt. Zu meinen Zeiten war es besser) schafft die Künstlerin es, den regressiven Charakter der Aussage durch verzerrt-elektronische Kakofonie- Elemente hervorzuheben: „Solche Phrasen werden über Generationen hinweg wiederholt. Der Akt der manischen Wiederholung zwingt uns zum Nachdenken“, so Bernholz. „Es wird zu einer höllischen Erfahrung.“ Auch das neue Album „Deep England“ greift ähnliche Gedanken auf. Die britische Komponistin und Produzentin entwickelte es in enger Zusammenarbeit mit NYX, dem Londoner Electronic Drone Choir, aus einer Serie von Live-Performances. Fünf der insgesamt acht Songs bauen auf „Pastoral“ auf. „Deep England“ steht für eine kulturkonservative Ideologie, die sich gegen Modernismus und Industrialisierung richtet und eine Rü…