Schluchzend stehe ich unter der Dusche. Meine salzigen Tränen werden eins mit dem harten Berliner Wasser. Besorgt schaut mich mein Freund, der im Türrahmen steht, an und fragt mich vorsichtig, was los ist. Gedanklich hänge ich irgendwo fest zwischen einem Artikel zur Mutation P1 in Brasilien, einem nicht absehbaren Ende der Pandemie und der Tatsache, dass ich als introvertierte Person gern mal einen gesamten Tag schweigen wollen würde. All das sage ich, in etwas anderer Reihenfolge. Mein Freund umarmt mich, als ich aus der Dusche komme, und nickt – viel anders geht es ihm auch nicht.

Die Leichtigkeit, mit der aktuell politische Entscheidungen ins Private verschoben werden, ist belastend. Die Verantwortung dafür, diese Zeit zu überstehen – finanziell, physisch, psychisch, nervlich –, tragen wir weitestgehend selbst, denn einen nachvollziehbaren Umgang seitens der Politik mit den Herausforderungen, die diese Pandemie mit sich bringt, gibt es, zumindest aus meiner Sicht, nicht. Und so hangele ich mich von Tag zu Tag, gemeinsam mit anderen Eltern und den immer offen bleibenden Fragen: Kann ich diesen Termin dann überhaupt einrichten? Wird es zu Hause Streit geben, weil die Konkurrenz um Zeit für die Arbeit gerade so groß ist? Wie wird der Schulunterricht stattfinden? Hat die Kita offen? Kann ich mein Kind überhaupt hinschicken?

Mir würde es schon helfen, wenn ich wenigstens wüsste, womit ich rechnen kann. Im Dezember, als der Lockdown beschlossen wurde, wäre ich okay damit gewesen zu wissen, dass wir bis Mai ausharren müssen. Der schlimmste Fall wäre dann gewesen, tatsächlich so lange festzusitzen; der beste, dass es früher zu Lockerungen gekommen wäre. Diese seltsame und der Situation völlig unangemessene Taktik, dass es alle paar Tage neue Beschlüsse gibt, ist für Familien nicht tragbar. Nicht weil Familien nicht gewohnt sind, spontan umdenken zu müssen, sondern weil wir uns in einer kapitalistischen arbeitsteiligen Gesellschaft darauf verlassen müssen, dass die Kinderbetreuung weiterläuft.

Josephine Apraku

ist nicht mehr ganz so neues Elternteil, macht Bildungsarbeit zu Diskriminierungskritik, schreibt Dinge und gründet gerade neu.

Nach einem Jahr Pandemie gibt es noch immer keine hilfreichen Überlegungen dazu, wie es für und mit Kindern gehen könnte. Es gibt noch immer kaum alternative Ideen dazu, wie Kinder betreut oder unterrichtet werden können. Trotzdem: Das Schuljahr muss offenbar weitergehen. Dass es für diejenigen, für die es vorher schon schwierig war, noch schwieriger wird – who cares?! Eine Freundin erzählt mir, dass die Anwesenheitspflicht für die Schulen in Berlin zwar ausgesetzt wurde, es aber an der Schule ihrer Tochter keine Pläne dafür gäbe, den Unterricht entsprechend virtuell stattfinden zu lassen. Heißt übersetzt: Dein Kind kann zu Hause bleiben, es wird dann nur eben nicht unterrichtet.

Obwohl ich den Spruch hasse, beschreibt er doch am besten mein Gefühl zur Situation: Was dich nicht umbringt, macht dich stärker. Allerdings frage ich mich auch, wie viel Stärke ich brauche, wie viel Stärke ich will.