Missy Magazine 03/21, Musikrezis;Just Between Us

Da es in Deutschland eher wenige Podcasts gibt, die sich dezidiert mit psychischer Gesundheit und Beziehungsfragen aus einer queeren Perspektive auseinandersetzen, greift man doch immer wieder zu US-amerikanischen Shows. Bis es also Ähnliches von hier gibt, kann man sich mit dem Podcast „Just Between Us“ der beiden Freund*innen, Autor*innen und Comedians Gaby Dunn („Bad With Money“) und Allison Raskin („Please Send Help“) trösten. Gaby Dunn ist queer und lebt nicht-monogam, Allison Raskin hetero und mono, doch die beiden verbindet eine tiefe Freund*innenschaft, die sich beim Hören deutlich zeigt. Angefangen auf YouTube mit einer Show unter demselben Namen verhandeln sie seit 2019 im Podcast ihren eigenen Umgang mit Depressionen und bipolarer Störung, ob sie Beziehungen führen wollen und wie viele, Fragen zu sexuellen und geschlechtlichen Identitäten, aber auch die politischen Entwicklungen in den USA. Zu Beginn jeder Folge werden Hörer*innenfragen zu besagten Themen beantwortet, während Dunn und Raskin von ihren eigenen Erfahrungen berichten, und jedes Mal wird ein neuer Gast eingeladen, der*die erst vorgestellt wird und dann hypothetische Fragen wie „Would you stay with this cheater?“ beantworten muss. Der Podcast spricht queere sowie cis hetero Hörer*innen an und schafft es, oft ernste Themen mit einem leichtherzigen Blick zu betrachten. Renée Grothkopf

„Just Between Us“ Allison Raskin & Gaby Dunn, 60–90 Min. foreverdogpodcasts.com/podcasts/just-between-us

 

Lolita Podcast

Was ist das Erste, das euch in den Sinn kommt, wenn ihr „Lolita“ hört? Sehr wahrscheinlich das Bild einer Jugendlichen mit herzförmiger Sonnenbrille und Lolli im Mund, die verführerisch schaut. Ein Bild, das sich popkulturell und gesellschaftlich eingeprägt hat. Doch mit Vladimir Nabokovs Werk, so die Autorin und Comedian Jamie Loftus, hat es wenig zu tun. Laut ihrer Lektüre verherrlicht der Roman nicht, sondern positioniert sich vielmehr sehr deutlich gegen Vergewaltigung und Pädophilie. Wie also kam es zur Rezeption von Lolita als übersexualisiertem Mädchen, das einen älteren Mann verführt? Mit dieser Frage befasst sich Jamie Loftus im elfteiligen „Lolita Podcast“. Zunächst analysiert sie das Buch und Nabokovs Biografie, danach geht sie auf die sich verselbstständigte Rezeption von „Lolita“ ein, angefangen bei Stanley Kubricks Verfilmung aus dem Jahr 1962, die das Lolita-Bild prägte, bis zu anderen Darstellungen in Theater und Film, und spricht mit ehemaligen Lolita-Schauspielerinnen, die aufzeigen, wie negativ diese Darstellung ihre weitere Karriere beeinflusst hat. Schließlich nimmt sie die Lolita- Ästhetik unter die Lupe, in die junge Sängerinnen wie Aaliyah oder Britney Spears gedrängt wurden und mit der andere wie Lana Del Rey spielen. Loftus thematisiert zudem die Gefahren für junge Mädchen, die von diesem Image, konträr zur eigentlichen Intention Nabokovs, ausgehen. Ein sehr wichtiger und spannend erzählter Podcast an der Schnittstelle von Popkultur und Gesellschaft. Isabella Caldart

„Lolita Podcast“ Jamie Loftus, 60–125 Min. Spotify, Apple Podcasts, Audible

Diese Texte erschienen zuerst in Missy 03/21.