Von Merle Groneweg
Illustration: Larissa Hoff

Seit mehr als einem Jahr dominiert die Pandemie die politischen Debatten, „Gesundheit“ steht im Fokus. Doch entgegen so mancher Behauptung stellt diese weder das höchste Gut dar, noch ist die Gesundheit aller gleichermaßen viel wert. Im Wesentlichen müssen die Menschen hierzulande vor allem eins: arbeiten. Während strukturierende Alltagsroutinen und entspannende Aktivitäten ausbleiben, steigen die Belastungen – insbesondere für jene, die sich um Kinder und pflegebedürftige Menschen kümmern oder sich Sorgen um die berufliche Zukunft machen (oder manchmal all das gleichzeitig). Einsamkeit, Überforderung und Ängste nehmen zu und manifestieren sich mitunter in Depressionen, Angststörungen, Schlaflosigkeit oder Suchtverhalten. Laut einer Umfrage der Deutschen

Psychotherapeutenvereinigung haben sich im Januar 2021 ca. vierzig Prozent mehr Menschen um einen Behandlungsplatz bemüht als zu Beginn des Vorjahres. Doch inzwischen führen viele Praxen nicht einmal mehr Wartelisten für ein Erstgespräch – die Kapazitäten sind ausgeschöpft.

Immerhin: Es wird darüber gesprochen. „Wie geht es unserer Seele?“, fragte „Die Zeit“ im November 2020, auf dem Titelblatt das obligatorische Porträt von Sigmund Freud. Psychoanalytiker*innen, Verhaltenstherapeut*innen, Tiefenpsycholog*innen und andere Expert*innen sind gefragte Gäste in Funk und Fernsehen. Sie erklären, kommentieren und geben Rat: Neue Routinen aufbauen, von Tag zu Tag schauen,  soziale Kontakte digital oder beim Spaziergang pflegen. Es sich gut gehen lassen und akzeptieren, wenn es einer*m nicht gut geht. In ihren Schilderungen, aber auch in den Nachfragen der Journalist*innen taucht dabei immer wieder ein Begriff auf: Resilienz. Vom „Immunsystem der Seele“ ist die Rede, von „psychischer Widerstandskraft“ u…