Von Nadia Shehadeh
Illustration: Angelica Liv

Es riecht nach Thymian und Möbelpolitur, in einer heimeligen Küche steht ein Massivholztisch, der schon so oft abgeschrubbt wurde, dass seine Oberfläche spiegelblank ist, und irgendwer gießt in einem Wintergarten die Blumen oder poliert das Silber. Wo wir sind? Vielleicht in einem Slow-Living-YouTube- Video oder einem neumodischen Silent-Vlog oder aber: in einem Rosamunde-Pilcher-Roman! Wobei ich gleich klarstellen muss: Es gibt zwei Arten von Rosamunde-Pilcher-Produkten. Einmal die Romane, und dann noch

die unsägliche ZDF-Verfilmungsreihe, die so erfolgreich wie grottenschlecht ist – und die den Fähigkeiten der Schriftstellerin keinerlei Tribut zollt.

Als Teenager in den 1990er-Jahren bin ich auf „Die Muschelsucher“ gestoßen, Pilchers großes Familienepos. Obwohl ich damals schon wusste, dass der Name Rosamunde mit ganz viel Naserümpfen verbunden ist, vor allem im Rahmen der „hochkulturellen Rezeption“, beschloss ich, dem Wälzer eine Chance zu geben. Ich habe es nie bereut. Immer mal wieder, wenn das Leben sehr nervig war, griff ich zu „Die Muschelsucher“, später auch mal zu „September“, und ließ mich berauschen von detailgetreuen Beschreibungen engagierter Haushaltsaufgaben älterer Damen, Familienproblemen und heterosexuellem Liebeschaos. Es wird geputzt, gekocht, man kann seine Kinder auch mal ein bisschen ätzend finden (aber sie trotzdem gleichzeitig lieben) und wenn von „Shoppen“ die Rede ist, heißt es, irgendwer kauft Lebensmittel oder Blumen. Sprich: eigentlich die perfekte Pandemielek…