Interview: Lisa Tracy Michalik

Bei Volume Up und in deinem Stück „Still Not Still“ geht es um Geschichte und Zeitlichkeit. Wie beeinflusst Geschichtsschreibung unser Denken, Sein und Wissen, insbesondere als Schwarze Subjekte?
Wir alle tragen vielfach Geschichte in uns. Das macht uns zu jenen, die wir sind. Doch wie wird Geschichte geschrieben, wie wird sie denkbar gemacht? Ich versuche, meine eigene Beziehung zur Geschichte kritisch zu denken, weg von einer europäischen Geschichtsschreibung, die auf vermeintlicher Rationalität beruht und keinen Raum für Spiritualität lässt. Diese Geschichtsschreibung limitiert, worüber wir sprechen können, weil Geschichte als etwas Vergangenes und Abgeschlossenes gilt. Als Schwarze Person, die

im Westen sozialisiert wurde, ist Sklaverei Teil meiner Geschichte. Ich habe sie nicht unmittelbar erlebt, und doch markiert sie mich. In Europa fühle ich mich wie halb lebendig und halb tot. Ich kann gleichzeitig Institutionen wie das Theater toll und spannend finden, aber andererseits bin ich mir auch meiner eigenen Negation dort bewusst. Wir müssen uns durch die westliche Geschichtsschreibung arbeiten, weil wir sonst durch sie fremdbestimmt werden. Es ist unmöglich, das Grauen der Sklaverei niederzuschreiben, es gibt keine Worte, keine Sprache dafür. Deswegen sehe ich dokumentarisches Theater sehr kritisch, insbesondere wenn es um Themen geht, die Schwarze Menschen betreffen.

Welche Ansätze und Mittel nutzt du in deiner Arbeit und welches Potenzial siehst du im Theater, um sich mit Geschichte auseinanderzusetzen?
Ich arbeite antirealistisch, durch Fiktion und Imagination. Die afroamerikanische Theoretikerin Saidiya Hartman erinnert uns daran, dass die Vergangenheit nicht abgeschlossen ist und …