Einfach danke
Kolumnist*in:
Von Sibel Schick
Dies ist ein Abschied.
Vor genau drei Jahren erschien hier meine erste Kolumne. Als ich vor drei Jahren zur Missy-Kolumnistin wurde, fühlte ich mich stolz und geehrt. Aber es war mehr als eine Ehre, mehr als eine Bestätigung meiner Arbeit als Autorin. Es war mehr als ein bloßes Kompliment. Ein Kolumnenplatz war für mich eine Chance in einer sonst herzlosen, äußerst selektiven und elitären Branche, die Menschen wie mich eigentlich nicht haben möchte. Linke, feministische Migrantin, Arbeiter*innenkind ohne Studienabschluss, dazu weiblich und polemisch. What the actual fuck yani, was für eine Mischung. Ein wandelndes Ausschlusskriterium sozusagen.
Es ist nicht selbstverständlich, dass sich ein Medium mit so begrenzten Ressourcen, wie sie dem Missy Magazine zur Verfügung stehen, eine Migrantin als Kolumnistin herholt, die unter Umständen mehr Betreuung benötigen könnte als eine Muttersprachlerin. Dazu eine absolut Unbekannte. Über die Jahre wurde ich mindestens von drei verschiedenen Redakteur*innen betreut, und mir wurde nie das Gefühlt vermittelt, dass es von Nachteil sein könnte, keine Muttersprachlerin zu sein. Und ich konnte so viel lernen.
Die deutsche Medienlandschaft ändert sich zwar, doch es steht noch nicht fest, ob dies eine nachhaltige Veränderung sein wird oder nur ein Trend. Die „taz“ war die erste überregionale Tageszeitung, die anfing, viele unterschiedlich marginalisierte Kolumnist*innen zu beschäftigen. Die linke Tageszeitung „nd“ (früher „Neues Deutschland“) gewann innerhalb des vergangenen Jahres mindestens fünf neue Kolumnist*innen of Color. Auch bei Angeboten bürgerlicher Medien für junge Erwachsene erscheinen regelmäßig Texte von Schreibenden, die von der weißen deutschen Norm abweichen. Dennoch bleiben diese Beispiele vereinzelt. Die große Mehrheit deutscher Redaktionen gibt sich mit einer einzigen Person, die marginalisiert ist, zufrieden. Diese wird dann plakativ angekündigt als ein Diversitätszeugnis und ist in der Regel gezielt so ausgesucht, dass sie von der Norm nur minimal abweicht. Sie wird zudem oft mit Diskriminierung und Exotisierung empfangen, denn Augenhöhe ist nicht selbstverständlich.
Das alles ist wenig verwunderlich, denn Repräsentation ist ja auch nicht alles. Ein rechtes bzw. bürgerliches Blatt verwandelt sich nicht plötzlich in ein Emanzipatorisches, nur weil es ein paar Autor*innen of Color beschäftigt. Vielmehr gehen diese Autor*innen das Risiko ein, zu Tokens gemacht zu werden, oft werden sie als „Beweis für Vielfalt“ bzw. als Schmuck instrumentalisiert. Am Ende geht es diesen Medienhäusern allerdings darum, nach außen den Eindruck zu erwecken, eine emanzipatorische Unternehmenspolitik zu pflegen, während sie sich ihrer journalistischen und gesellschaftlichen Verantwortung entziehen können. Vorwurf der sexistischen oder rassistischen Berichterstattung? Das ist nicht möglich, denn wir beschäftigen hier einen Hauskanaken.
Es war daher ein Privileg, beim Missy Magazine mit der Gewissheit schreiben zu können, dass ich als Autorin nicht missbraucht werde. Es war ein Privileg, auf das Medium, für das ich kolumnierte, stolz sein zu können – dieses Privileg haben nicht alle. Ich musste nicht nehmen, was ich bekommen kann, sondern ich hatte im Lotto gewonnen.
Mir fallen Trennungen schwer, auch diese ist nicht leicht. Es ist allerdings an der Zeit, Platz für andere Stimmen zu machen und neuen Herausforderungen nachzugehen. Denn wir wollen es den weißen alten cis Männern, die ihre Stühle nicht freiräumen, ja nicht nachmachen. Außerdem ist das keine endgültige Trennung, ich werde nämlich nicht nur eine Freundin, sondern auch weiterhin eine leidenschaftliche Leserin des Missy Magazine bleiben. Und dafür sage ich: danke Missy, einfach danke. Danke für die Plattform, danke für eure Arbeit, danke für die künstlerischen Freiheiten, die ich haben durfte. Ich weine nicht – hab bloß ein bisschen Abschied im Auge.