Missy 04/21 - Comicseite

Laura Dean
Das Teenage-Universum von Freddy Riley aus Berkeley wirkt wie ein queerer Traum: Die Kids schwärmen von Party zu Party, sind saucool und divers, bei Gender und sexueller Orientierung geht alles, die Eltern sind verständnisvoll bis netterweise abwesend, und in der Schule wird der Lebenslauf von Harvey Milk unterrichtet. Doch all das schützt nicht vor Verletzungen, wie Freddy am eigenen Leib erfahren muss. Denn die umschwärmte Laura Dean ist zwar irgendwie mit ihr zusammen, irgendwie aber auch nicht. Immer wieder entzieht sie sich. In einer Mischung aus realistischen Graustufen und zartem Apricot erzählt die Zeichnerin Rosemary Valero-O’Connell mit Anleihen an Manga-Styles und Ukiyo-e-Holzschnitte die von der Autorin Mariko Tamaki erdachte Coming-of-Age-Geschichte. Dialoglastige Szenen wechseln sich mit wortlosen, schnellen Bildabfolgen ab, die meisten Protagonist*innen sind nicht-binär lesbar und kawaii Details wie sprechende Kätzchen vermitteln pubertären Camp-Flavour. „Laura Dean“ gelingt es, einerseits queere Alltage unaufgeregt sichtbar zu machen, und andererseits zu zeigen, dass die Dekonstruktion von normativen Vorstellungen sich damit noch lange nicht erledigt hat. Sonja Eismann

Mariko Tamaki & Rosemary Valero-O’Connell „Laura Dean und wie sie immer wieder mit mir Schluss macht“ ( Aus dem Englischen von Annette von der Weppen. Carlsen, 304 S., 22 Euro )

 

Missy 04/21 - Comicseite

Cheese
Seit der Veröffentlichung von „Cheese“ gilt Giulia Spagnulo alias Zuzu als neuer Star der italienischen Comicszene. Das Graphic-Novel-Debüt lässt niemanden kalt: Roh, intensiv, schmerzvoll und trotzdem überaus komisch ist diese autobiografisch inspirierte Erzählung über drei beste Freund*innen, die der Adoleszenz entwachsen und sich an der Schwelle zum Erwachsenwerden der Frage stellen: Wer, verdammt, will ich sein? Wäre nicht der beinharte Zusammenhalt untereinander – Zuzu, Dario und Ricardo wären schlecht dran in dieser ungewissen Zeit des Übergangs, zu der sich die unendliche Langweile in der italienischen Provinz gesellt, die mit Bier, Pizza und Musik angegangen wird. Sehnsucht und Hunger treiben vor allem Zuzu um. So wie die Bulimie ihr Leben in ein Innen und Außen zerschneidet, ist auch der Comic in eine innere und äußere Erzählung aufgetrennt, Teile, die erst gar nicht zueinanderfinden können. Zuzus quälender Erfahrung der Fragmentierung hält nur eines stand: echte Freund*innenschaft im Großformat. Und die wird u. a. bei einem halsbrecherischen Käsewettrennen unter Beweis gestellt. Es ist wohl nicht nur ein Laib Fett, dem Zuzu, Dario und Ricardo da hinterherjagen – bloß nicht stehen bleiben! Dann klappt es auch mit dem hoffnungsfrohen Kameralächeln: Say cheese! Vina Yun

Zuzu „Cheese“ ( Aus dem Italienischen von Ariana Pradal & Luigi Olivadoti. Edition Moderne, 272 S., 28 Euro )

Diese Texte erschienen zuerst in Missy 04/21.