Andere Umstände
Der Konflikt ist ein alter Hut: Uniabschluss, eine neue WG, das Berufsleben startet, eine neue Beziehung und dann eine Schwangerschaft, ungeplant. Ein Kind würde die Lebenspläne der Soziologin Anja durchkreuzen, während DJ Olli darin eine Chance sieht, seinem Chaos Struktur zu geben, doch leider ohne jede realistische Perspektive. Folglich: Streit, Missverständnisse, sie steht allein vor der vollen Verantwortung, muss sich entscheiden. Die Illustratorin Julia Zejn hat den Ablauf vom Beginn bis zu den Konsequenzen in eine Bildergeschichte umgesetzt. Basierend auf Gesprächen mit Betroffenen ist ihr eine inhaltlich sehr realistische, ernsthafte Darstellung gelungen. Insofern eignet sich diese Graphic Story als Equipment für gynäkologische Praxen und Beratungszentren. Das Unspektakuläre dieses großen Dramas gibt sie in ruhigen Buntstiftbildern wieder, oft in minutiösen Momentaufnahmen des Alltags, ohne Worte, fast filmisch. Ab und zu sind sehr schöne poetische Bilder und Ideen zu sehen, wie z. B. die Übersetzung von Technomusik als Kringelform. Imke Staats

Julia Zejn „Andere Umstände“ ( avant-verlag, 200 S., 25 Euro, VÖ: 15.10. )

 

 

 

 

The Artist: Ode an die Feder
Mit dem dritten Teil der „The Artist“-Saga begibt sich die Leipziger Zeichnerin Anna Haifisch ins Opernfach und erzählt in zehn dramatischen Akten vom Aufstieg und Fall ihrer Titelfigur. Noch immer so fragil und zerzaust wie in den vorhergehenden Bänden bewegt sich ein kunstschaffendes Schnabelwesen darin durch eine Welt in Orange und Gelb und kämpft mit Selbstzweifeln, Isolation und Liebeskummer. Dabei ist seine Lebenssituation im Vergleich zu den ersten Bänden diesmal eigentlich eine bessere: The Artist hat es in die Galerien und auf den Kunstmarkt geschafft, kann eine Villa, Ruhm und Geld vorweisen. Die Probleme und Ängste aber bleiben im Kern dieselben. Überwiegt zu Beginn noch eine herablassende Haltung gegenüber dem abgeschüttelt geglaubten Prekariat, überfällt The Artist schnell wieder dieselbe alte Einsamkeit. Dass „Ode an die Feder“ bei aller Fragilität der Hauptfigur und ihrer Zustände so lustig, skurril, berührend und schlau zugleich ist, verdankt sich Haifischs Händchen für überraschende, diesmal sogar gereimte Texte und vor allem den wunderschönen Panels. Jana Sotzko

Anna Haifisch „The Artist: Ode an die Feder“ ( Reprodukt, 104 S., 24 Euro, VÖ: Oktober )

Diese Texte erschienen zuerst in Missy 05/21.