Missy Magazine 06/21, Comics
Mia Oberländer „Anna“

Anna
„Ich bin so froh, dass du mich lustig findest“, schreibt Mia Oberländer auf der letzten Seite ihres Comics als Danksagung an ihre Professorin Anke Feuchtenberger. Dass die in Ulm geborene Oberländer ein Feuchtenberger-Fan ist, lässt sich auf jeder Seite ihres als Abschlussarbeit an der HAW Hamburg entstandenen „graphischen Essays“ erkennen. Denn auch wenn die klaren, grauen bis knallbunten Zeichnungen wenig mit dem Stil der deutschen Illustrationsdoyenne zu tun haben scheinen, verbindet eine Liebe fürs Surreal-Komische, für rahmensprengende Figuren und Geschichten die beiden deutlich. Und rahmensprengend sind die drei Annas, um die es in diesem bereits vor seinem Erscheinen mit dem Comicbuchpreis ausgezeichneten Werk geht, definitiv. Denn Anna 2, Tochter von Anna 1, und Anna 3, Tochter von Anna 2, sind nicht nur groß, sie sind riesig. Und damit zu groß für das fiktive Bergdörfchen Bad Hohenheim, in dem nur Gebirge und Kirchtürme hoch sein sollen, nicht aber Mädchen und Frauen. Im Stil eines entzückend altmodischen Schulhefts mit Schnürlschrift erzählt Mia Oberländer mit ebenso viel Ironie wie Empathie vom Anderssein – und davon, wie Größe letztendlich nicht nur ertragen, sondern als solche auch empfunden wird: großartig. Sonja Eismann

Mia Oberländer „Anna“ ( Edition Moderne, 220 S., 25 Euro )

 

Missy Magazine 06/21, Comics
Liv Strömquist „Im Spiegelsaal“

Im Spiegelsaal
Bling-bling-Fotos auf dem Smartphone, von Frauen mit aufgespritzten Lippen, großen Brüsten, runden Pos und Wespentaillen, hunderttausendfach geliked … von jungen Frauen, die sich mies fühlen, wenn sie so viel unerreichbare, weil unrealistische Schönheitsideale sehen. „Im Spiegelsaal“ ist schon wieder so ein witziges und informatives Werk um ein aktuelles Thema von der höchst produktiven schwedischen Comicautorin Liv Strömquist. Hier analysiert sie den Themenkomplex Eitelkeit und unseren Umgang mit der Schönheit anderer – vor allem Frauen. In einer rasanten und humorvollen Kombi aus poppigen Zeichnungen, Zitaten und Erläuterungen ist Strömquist wieder ein famoses Sachbuch gelungen, das die Sache auf den Punkt bringt. Mithilfe der Thesen von Kunsthistorikerin Camille Paglia und Philosoph René Girard entlarvt und erklärt sie Promi-Fixiertheit und zwanghaften Konsum. Und stellt die historischen Zusammenhänge her: Was passierte z. B., als sich Kaiserin Sisi und Napoleons Gattin Eugénie trafen? Wie alle ihrer Werke ist das gut recherchiert, wissenschaftlich fundiert – und dabei leicht. Der schnelle, etwas naiv daherkommende Zeichenstil verstärkt das Parodistische in Strömquists Arbeiten. Imke Staats

Liv Strömquist „Im Spiegelsaal“ ( Aus dem Schwedischen von Katharina Erben. Avant Verlag, 168 S., 20 Euro )

 

Dieser Texte erschienen zuerst in Missy 06/21.