Von Sonja Ella Matuszczyk

Nichts ist mehr da, nichts funktioniert mehr. Keine Technologie, keine Prothesen und schon gar keine menschlichen Berührungen.“ So klingt es in einer der postapokalyptischen Visionen, die yeule durch Newsletter oder auf Discord-Channels mit den Fans teilt. In Musikvideos tritt yeule entsprechend mal als kriegerische Cyberpunk auf oder als psychedelische Kawaii-Alice, als krawallige Marie Antoinette oder wie eine Figur aus den morbiden Junji-Ito-Mangas. Man könnte yeule als den künstlerischen Avatar von Nat Ćmiel verstehen, die*der vor 23 Jahren in Singapur geboren wurde und mittlerweile in London lebt. yeule selbst begreift diese seit 2014 aktiven Projekte als emotionale RAM voller

Glitches, also als rekombinierbaren, aber codierten Speicherort aller Erinnerungen inklusive Systemfehler, eingepflanzt in einen geschlechtslosen Cyborg im Sinne Donna Haraways. Doch selbst dicke Schichten aus neonpinkem Cosplay-Make-up können die sehr menschliche Traurigkeit nicht kaschieren, die unter den Augen hervorblinzelt. Wenn yeules Debütalbum „Serotonin II“ die Fiebertraumskizze einer Person war, die ihr gesamtes Leben im virtuellen Raum verbracht hat, bis sie den Bezug zur physischen Wirklichkeit verlor, so ist das neue Album „Glitch Princess“ das versuchte Abreißen der störenden Hauthülle, um Innerstes zur Schau zu stellen, ungeschönt. In älteren Videos kam unter der abgepiddelten Haut nichts als Chrom zum Vorschein – heute hören wir ein wild pulsierendes Herz. Gefangen in einem Körper, der fühlt und seine Gefühle nicht versteht. Der sich selbst verletzt, wenig isst und lieber neben einer Katze Amphetamine klein hackt. Einem Körper, der einsam ist, sich lüstern zeigt und nach Berührung sehnt.