Protokoll: Sonja Eismann

Missy führt ab dieser Ausgabe ein geschlechtsneutrales Pronomen ein. Glaubt ihr, dass es ähnliche Entscheidungen auch in der Literatur geben wird?
Mithu Sanyal: Ich finde es klasse, dass Missy das macht, glaube aber nicht, dass es das Pronomen sein wird, auf das wir uns dann alle einigen werden. Das Deutsche gendert einfach zu rigide. Ich finde es trotzdem cool, das anzugehen. Allerdings würde ich wahrscheinlich in jeder Ausgabe mit einem neuen genderneutralen Pronomen experimentieren, um ein Feeling für die Pros und Cons zu bekommen.
Frederik Müller: Ich bin gespannt und optimistisch, was das Pronomen angeht, auch wenn ich jetzt noch nicht weiß, welches es ist! Es gibt zwar im deutschsprachigen Raum seit vielen Jahren Experimente in Zines, Blogs und auf Social Media – und in einigen wenigen Büchern. Doch bisher wurden diese Versuche jenseits von Subkulturnischen

marginalisiert: durch Ignorieren oder gleich durch Mobbing und Verhöhnen. Wenn ein Magazin wie Missy das offiziell angeht, hilft es Autor*innen wie mir, sich darauf zu beziehen. Natürlich ist es schade, dass es eine legitimierende Kraft braucht. Oder, um ehrlich zu bleiben: dass ich eine legitimierende Kraft sehr hilfreich für mein Schreiben finde.
w_orten & meer: Wir glauben, es passiert mehr und mehr. Es gibt sehr viel Potenzial dafür! Denn bisher kommt es nur vereinzelt vor. Wir kennen es von einigen unserer eigenen Bücher und von einigen wenigen Publikationen, u. a. Übersetzungen, z. B. „Bus 57“ von Dashka Slater, aus dem US-amerikanischen Englisch übersetzt – hier werden alle neuen Formen genau erklärt, das finden wir supercool gemacht Bisher wurde alles über Zweigenderung verhandelt, das bricht jetzt auf. Das führt dazu, dass es vielleicht irgendwann – utopisch – weniger wichtig ist, wie Menschen sich in Bezug auf Gender verstehen. Oder weniger wichtig wird, Menschen über Gender einzuordnen. Ge…