Eigentlich kann ich nicht sonderlich viel mit Lyrik anfangen. Zu sehr ist diese Kunstform von Erinnerungen an miefigen Deutschunterricht und Auswendiglernen geprägt, viel zu schnell die Grenze zum Kitsch überschritten. Ich bin Musikerin und Grafikerin. Das mit der Sprache hat länger gedauert, obwohl sie mir schon immer nah war – gerade, wenn sie an ihre Grenzen stößt. Als ich mit Anfang zwanzig das erste Mal Texte von Friederike Mayröcker in die Finger bekam, las ich weiter und weiter, blätterte nervös, weil ich es nicht glauben konnte: Ihre Zeilen waren wie ein Besuch im eigenen Kopf, in dem ziemlich viel Bild, Ton und Wort durcheinanderschoss. Ihre Lyrik und Prosa funktionieren nicht nach

gängiger Logik, sie bilden die Gleichzeitigkeit von Vorgängen ab, lösen Zeit auf und erschaffen neue Ausdrucksmöglichkeiten. Mayröcker selbst hat gesagt, am liebsten wäre sie Malerin gewesen, sie denke in Bildern. Diese Verbindung ist mir vertraut.
Als ich mich dann mehr mit Mayröcker beschäftigte, hat mich natürlich auch ihre Coolness – unaufdringlich-selbstbewusst, immer schwarz gekleidet – sehr beeindruckt. Es hat lange gedauert, bis ihre Arbeit Beachtung fand, was auch mit ihrem Frausein zu tun hatte. Mir scheint, es ging ihr immer nur um das Schreiben, um die Worte und die Arbeit und nicht um alles drum herum. Schon gar nicht um Selbstdarstellung. Unaufhörlich hat sie weiter experimentiert, geradezu vergraben hat sie sich in ihrer legendär chaotischen Wiener Wohnung, in der sie ihren eigenen Kosmos geschaffen hat. Eine Arbeitsweise, die ich sehr bewundere, bin ich selbst oft viel zu abgelenkt von diesem oder jenem (größtes Glück, es dann doch mal in den eigenen Raum zu schaffen). [caption id="attachmen…