Interview: Olga Boychenko

In ihren an Selbstporträts erinnernden Bildern geht es der Fotografin um mehr als um Rebellion. Ein Interview mit Cihan Çakmak.


Deine Fotografien sind sanft und wütend zugleich. Welche Erfahrungen spiegeln sich in den Arbeiten?
Wenn man in einer missgünstigen und traumatisierten Gesellschaft sensibel ist, dann bleibt nichts übrig, als Energien zu bündeln. Das geht eben durch Wut. Wut ist eine Farbe von Schmerz und Trauer. Sanftheit sehe ich in Verbindung mit Vorsicht, Ruhe und Schutz. Wobei das Wütende gegen Dinge gerichtet ist, die aus meiner Sicht falsch laufen und Menschen verletzen.

Warum machen Selbstporträts einen großen Teil deiner Arbeit aus?
Die Fotografien werden oft als Selbstporträts gelesen, gehen aber meistens darüber hinaus in dem Sinne, dass ich mich als Protagonistin selbst in Szene setze. Es ist manchmal einfacher, so einen Ausdruck oder Zustand, den ich zeigen möchte, konkreter darzustellen. Außer- dem liegt darin auch ein selbstermächtigender Moment. In Verbindung mit einer leichten Wut ist es ein Auflehnen dagegen, dass es in bestimmten Kulturkreisen FLINT verboten ist, sich zu zeigen. Natürlich ist das nicht eine Sache, die alle FLINT wollen, aber ich glaube, da geht es bei mir um mehr als einfache Rebellion. Es geht darum, von Machtstrukturen nicht kleingehalten und an einem Wunschleben gehindert zu werden.

Warum ist der Fokus auf FLINT so interessant für dich?
Ich finde, männlich gelesene Personen, strukturelle Konflikte und Differenzen stehen genug im Mittelpunkt. Ausgehend von mir selbst und meinen eigenen Erfahrungen führt das zu diesem Schwerpunkt in meiner Kunst. Ich finde, wir haben noch einiges aufzuarbeiten.„Then I decided to be free“ ist ein Satz aus deinem Werk. Wann ist diese Entscheidung gefallen und warum?
Der Satz ist aus der Arbeit „I Translucent“, in der ich Menschen fotografiert habe, die sich aus konservativen Strukturen „befreit“ haben. Das ist Wunschdenken. Man kann das in so einer einkesselnden Gesellschaft nicht einfach beschließen, man kann es nur im Kleinen tun – für sich und für die eigenen Lebensumstände. Befreit ist man allerdings auch nicht von den inneren Wunden, die man erlitten hat. Die nimmt man mit.