Von Lena Mändlen

Weder Oralsex noch einen Orgasmus hat die pensionierte Religionslehrerin Nancy Stokes (Emma Thompson) in ihrer langjährigen Ehe erlebt. Zwei Jahre nach dem Tod ihres Mannes will sie das nachholen – zusammen mit dem jungen Sexarbeiter Leo Grande (Daryl McCormack). Zwischen Sex, Zärtlichkeit und Freund*innenschaft entwickeln sie eine Bindung, die erfrischenderweise nicht romantischer Natur ist und den beiden dabei hilft, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen. So wird Leo im Zuge ihrer Treffen mit seiner Vergangenheit konfrontiert, während Nancy ihre sexuellen Vorlieben kennenlernt und ihr

konservatives Weltbild infrage stellt. Dabei spielt sich die Handlung ausschließlich in einem Hotelzimmer und in der Lobby ab. Regisseurin Sophie Hyde beschäftigte sich bereits in ihren Spielfilmen „52 Tuesdays“ (2013) und „Animals“ (2019) mit sexueller Selbstfindung und dem Aufbrechen von Genderstereotypen. Diese Themen werden in „Good Luck To You, Leo Grande“ aufgegriffen und um die Entstigmatisierung von Sexarbeit erweitert, wofür sich Hyde von Sexarbeiter*innen beraten ließ. Das ist gelungen: Das Klischee der ausgebeuteten und hilfsbedürftigen Sexarbeiterin, die es zu retten gilt, bleibt aus. Stattdessen zeigt der Film, dass Sexarbeit nicht mit ungleichen Machtstrukturen einhergehen muss und für Sexarbeiter*innen ebenso eine positive Erfahrung sein kann wie für jene, die sie in Anspruch nehmen. Hyde thematisiert, wie übergriffig Debatten über die Selbstbestimmtheit von Sexarbeiter*innen häufig ablaufen – und lässt dabei nicht außer Acht, dass im Rahmen von Sexarbeit oft Grenzüberschreitungen stattfin…