Von Çiğdem Akyol

Meine Ersparnisse waren aufgebraucht und ich wachte jede Nacht mit Alpträumen auf, in denen ich um mich schlug, sie unabsichtlich verletzte. Ich dachte, sie sei mein Feind.“ Derin schafft es nicht, in solchen Momenten gegenüber ihrer eigenen Freundin über ihre Ängste zu sprechen. Probleme macht sie lieber mit sich aus, und ihre Freundin findet ohnehin, sie solle sich einfach aufrappeln. Trotz vorausahnender Beklommenheit begleitet sie diese eines Tages

zu deren Mutter. Derin denkt, es sei ein bisschen Kuchenessen und Kaffeetrinken, um sich kennenzulernen.
„Als ich aber ankam, führte sie mich wie eine Bedienstete durch jedes Zimmer, zeigte mir jede Tür, jede Oberfläche dieses dreistöckigen Hauses, die ich putzen sollte, für zehn Euro die Stunde.“ Eine Szene, die so unendlich viel aussagt: über die Macht der Mehrheit und ihren Rassismus, den sie in ihrer satten Dummheit nicht bemerkt. Über die Kälte der Abweisung, wenn die Angesprochene nicht so handelt, wie es sich manch Bildungsbürger*in gelegentlich wünscht. Über den Schmerz dieser Bankrotterklärung, welche die Betroffenen demütigt. „Ich bezweifle, dass die Dominanzgesellschaft glauben will, dass so etwas passiert. Ich will aber, dass sie es gelesen hat“, sagt Duygu Ağal, deren Erzähldebüt „Yeni Yeşerenler“ (aus dem Türkischen: Grünwerden, die Heranwachsenden, die Blühenden) gerade im Korbinian Verlag erschienen ist. Der*die Berliner Schriftsteller*in, Radiomacher*in und Kurator*in zeigt …