
Auf der Straße heißen wir anders
Die bekannteste Person aus Bremen-Nord ist Jan Böhmermann. Gähn. In ihrem Debütroman macht Laura Cwiertnia Bremen-Nord vielschichtiger als Böhmermann es je könnte. Sie hat ein Buch über die Geschichte einer armenischen Familie geschrieben, dessen Protagonistin Karla in Bremen-Nord aufwächst. Längst weggezogen, kehrt sie zurück, als ihre Großmutter stirbt. Es folgt eine Auseinandersetzung mit dem Stadtteil, der synonym für Armut, Tristesse und Peripherie steht. Auch ich wuchs dort auf, als Teenager bewegten Cwiertnia und ich uns an ähnlichen Orten, hatten Überschneidungen im Freund*innenkreis. Viele ihrer Referenzen sind mir vertraut und es ist wichtig, sie zu
erzählen. Das Buch zieht geografisch weitere Kreise. Die Großmutter hinterlässt ein Erbstück für eine Person, die Karla nicht kennt. Also reist sie mit ihrem Vater nach Armenien, um diese zu finden. Karlas Geschichte hat Parallelen zu Cwiertnias Biografie, auch sie ist Tochter eines armenischen Vaters und einer deutschen Mutter. Hauptberuflich Journalistin bei „Die Zeit“ reiste sie gemeinsam mit ihrem Vater für einen Artikel nach Armenien. Das Buch changiert zwischen drei Familiengenerationen und thematisiert unter anderem Klasse, Rassismus, Misogynie und Migration. Cwiertnia schreibt sehr einfühlsam, ohne pathetisch zu werden. Insbesondere die Lebensgeschichte der Großmutter Maryam hat mich sehr berührt, so viel Schmerz und Resilienz steckt in ihr. Sprachlich ist es charmant, Bremer Slang wie „Feudel“ (Wischmopp) in einem Hochkulturprodukt zu lesen. Dieses Buch ist wichtig, weil es diejenigen würdigt, die selbst kein Buch schreiben konnten. Caren Miesenberger
Laura Cwiertnia „A…