Von Josephine Apraku

Es ist offiziell, ich bekleide den ersten Vorsitz der Organisation Arschgeigenvolk International Inc. Es ist nicht einfach, diese Stelle zu bekommen, es ist harte Arbeit. Ich weiß das, ich habe sie ja geleistet. Konkret besteht sie darin, nichts mehr zu machen oder wenigstens fast nichts, das Spaß macht – und das über einen möglichst langen Zeitraum hinweg. Und, dieser Teil ist wichtig, viel zu lohn- und sorgearbeiten – im Wechsel, so dass dazwischen wenig Räume bleiben, in denen Luft ist, um die Gedanken ein wenig schweifen zu lassen. Das heißt, nicht lesen, nicht spazieren, kaum Zeit für Freund*innenschaften zu haben, keinen Sport zu machen (neben Essen wohl der wichtigste Baustein für meine mentale Gesundheit) und auch zu wenig essen.

Das Ergebnis all dieser harten Arbeit kann sich sehen lassen. Ich bin, vor allem innerlich, eine ätzende Person geworden. In meinem Kopf herrscht eine ständige Kaltwetterfront (genau, ich hasse den Winter – mein Körper ist nicht mal zu 50 Prozent für diese Shitshow gemacht) aus Missmut, Selbsthass und Neid. Für all diese Emotionen ist meiner Erfahrung nach Instagram der beste Ort, um sie in the comfort und privacy of your own home auszuleben. So scrolle ich in der wenigen Zeit, die mir bleibt, endlos durch die Leben der anderen oder zumindest das, was Menschen davon in den Sozialen Medien teilen, und bewerte abwechselnd sie und gleichzeitig mich selbst. Ich bin neidisch, wenn Leute schönere Wohnungen haben, den Urlaub am Strand verbringen oder einfach eine gute Zeit zu haben scheinen. Auf andere, die, so wie ich, ein Buch schreiben, bin ich neidisch, weil es ihnen bestimmt VIEL leichter fällt als mir. Die Moral von der Geschicht: Alle anderen haben viel schönere Leben als ich.

Das Paradoxe an der Sache ist, so bin ich eigentlich gar nicht. Ich bin eine gelassene Person, ich gebe mir bei den Dingen, die ich tue, Mühe, aber ich bin nicht perfektionistisch. Ich kann loslassen und finde, dass hundert Prozent zu geben, nie notwendig ist. Was ich aber merke, ist, dass der Lauf im Hamsterrad für mich dazu führt, dass sich eine Unzufriedenheit in mir breitmacht, die nicht meine eigene ist. Ich habe seit langer Zeit eine To-do-Liste, die nicht schaffbar ist, an der zu scheitern alternativlos ist. Dass mich das nicht glücklich machen kann, erkenne ich selbst.

Josephine Apraku

ist nicht mehr ganz so neues Elternteil, macht Bildungsarbeit zu Diskriminierungskritik, schreibt Dinge und gründet gerade neu.
Ich – einfach unausstehlich
© Xueh Margrini Troll

Woher die ätzenden Gedanken kommen, habe ich erst bemerkt, als ich irgendwann unter der Woche abends mit einem Freund vor der Tür eine Saftschorle trank und wir uns einfach ein bisschen unterhielten. Danach fühlte ich mich leichter, inspirierter und irgendwie wieder mehr wie ich selbst. Seitdem versuche ich, wieder mehr Phasen einzubauen, in denen ich nicht produktiv bin, sondern einfach nur bin. Ich meine das deutlich weniger esoterisch, als es klingt. Ich meine damit, dass ich Dinge tue, die mir Spaß machen. So etwas wie Hörbücher hören und Brühe aus Gemüse und Salz selbst machen. Ich meine so etwas wie in der Sonne sitzen und mit Freund*innen telefonieren.

Die kritische Stimme in meinem Kopf, das sind gesellschaftliche Vorstellungen, die mir sagen, „arbeite mehr, sei produktiv, streng dich an“. Wenn ich auf diesem Karussell, das anti-Schwarz ist, das misogyn ist, das kapitalistisch ist, nicht ab und zu die Stopptaste drücke, dann nehme ich kaum mehr wahr, was da eigentlich in mir passiert. Und tatsächlich ist es eine komplexe Herausforderung, als Person, der Sorgearbeit zugeschrieben wird und deren Unabhängigkeit im Kapitalismus in mehr Lohnarbeit für mehr Geld besteht, Auswege zu finden. Der Fokus auf die Belange von weißen bürgerlichen Frauen wird uns genau deshalb nicht zu mehr Freiheit führen. Ihre Belange orientieren sich viel zu oft an denen weißer bürgerlicher Männer. Also an denjenigen, die und für die die sich überschneidenden Systeme der Unterdrückung überhaupt erst geschaffen wurden.