Podcasttipps 04/22
Von
Cruising
In den 1980er-Jahren gab es in den USA etwa zweihundert Lesbenbars. Heute sind es keine 25 mehr. Doch was macht eine Lesbenbar aus? Inwiefern unterscheidet sie sich von einer queeren oder Gaybar? Und was hat es mit dem Aussterben dieser Räume auf sich? Diese Fragen stellen sich Sarah Gabrielli, Rachel Karp und Jennifer McGinity auf ihrem Roadtrip durch die USA. Angefangen zu Hause in New York City touren sie von einer der 25 Lesbenbars zur nächsten, wo sie mit Betreiber*innen, Mitarbeiter*innen und Besucher*innen der Gaststätten sprechen. Ohne diese Läden selbst betreten zu haben, gewinnen Zuhörer*innen des reportagehaften Podcasts einen Eindruck dieser Orte. Sie erfahren von deren Entstehungsgeschichte, Kämpfen gegen Gentrifizierung, internen Zerwürfnissen, den unterschiedlichen Communitys und deren Anekdoten. Einige verstehen sich als lesbisch geführte queere Bars mit Fokus auf ein FLINT-Klientel, andere werden durch die Interviews mit Sexismus in ihren Strukturen konfrontiert. In Zeiten, in denen Lesbenbars kaum noch existieren oder ein Corona- Ansteckungsrisiko bedeuten, ist dieser Podcast ein Geschenk. Von zu Hause aus können wir die Macherinnen auf ihrer Reise begleiten – und werden sehnsüchtig, eines Tages selbst diese Orte auszuchecken. Solange es sie gibt. Hengameh Yaghoobifarah
„Cruising“ Sarah Gabrielli, Rachel Karp, Jennifer McGinity, 20–60 Min., auf allen gängigen Plattformen
Exactly
Florence Given ist 23 Jahre alt, schrieb mit „Frauen schulden dir gar nichts“ schon einen Bestseller und wurde durch Illustrationen und Videos auf Instagram und TikTok zu einer wichtigen Stimme für Feminist*innen ihrer Generation. Mit „Exactly“ läuft seit Januar ihr eigener Podcast, bestehend aus fünf Miniserien: Sex, Social Media, Feminismus, Körperbilder und Beziehungen. Diese Themengebiete analysiert die Britin mit Gesprächspartner*innen, die persönliche Erfahrungen und Expertise aus verschiedenen Perspektiven mitbringen. Bspw. spricht sie mit der Domina Erica Storm über Empowerment beim Sex, mit der Autorin Layla Saad über antirassistischen Aktivismus, mit Autor*in und Comedian Sofie Hagen über Fettakzeptanz und mit der Narzissmus-Expertin Dr. Ramani Durvasula über toxische Beziehungen. Die Begeisterung, die Given dabei für ihre Gäste mitbringt, macht Spaß – erschwert es ihr jedoch, kritisch nachzuhaken, was an manchen Stellen wünschenswert wäre. Trotzdem nehmen sie und ihre Gäste kein Blatt vor den Mund, die teils radikale Ehrlichkeit bringt oft zum Lachen und gibt ebenso oft Anlass zum Hinterfragen der eigenen Denk- und Verhaltensmuster. Und obwohl durchgehend ernste Themen besprochen werden, klingen Given und ihre Gesprächspartner*innen immer optimistisch – und das steckt an. Lena Mändlen
„Exactly“ Florence Given, 42–60 Min., Spotify, Apple Podcasts, Amazon Music
Cool People Who Did Cool Stuff
Wie Aktivist*innen sich zur Wehr setzen können, wenn Schwangeren das Recht auf Abtreibung verwehrt wird, zeigt die Geschichte des Jane Collective: Über hundert Frauen in Chicago gingen 1969 in den Untergrund, um sichere Abtreibungen anzubieten – so lange, bis 1973 das Gerichtsurteil „Roe v. Wade“ ihre Arbeit (vorerst) überflüssig machte. Vom Jane Collective und anderen beeindruckenden Personen und Organisationen der Weltgeschichte erzählt Margaret Killjoy in ihrem Geschichtspodcast „Cool People Who Did Cool Stuff“. Die trans Aktivistin, Anarchistin und Autorin legt dabei einen Schwerpunkt auf wichtige Emanzipationskämpfe und porträtiert Streiter*innen gegen Sklaverei, für Arbeitsrechte oder eben das Recht auf Abtreibung. Während die ersten Folgen auf die USA blicken, geht es später etwa um die weitgehend friedliche Revolution 1871 in Paris, das für einige Monate als Pariser Kommune sozialistisch organisiert war, oder um queere Widerstandskämpfer*innen gegen Nazideutschland und im russischen Zarenreich. Produziert wird der Podcast von Sophie Lichterman, die auch für „Behind The Bastards“ verantwortlich zeichnet. Dort stellt Journalist Robert Evans die Bösewichte der Geschichte vor – „Cool People“ ist die positive Antithese dazu in einer Zeit, in der progressive Kräfte überall auf der Welt etwas Mut und historische Inspiration gut brauchen können. Eva Szulkowski
„Cool People Who Did Cool Stuff“ Margaret Killjoy, 60–90 Min., Spotify, Apple Podcasts
Mira und das fliegende Haus
Du bist gut, so wie du bist – diese Botschaft möchte der Podcast „Mira und das fliegende Haus“ jungen Hörer*innen vermitteln. Die Protagonistin Mira lebt mit dem sprechenden Kater Kopernikus und der rappenden Maus McPieps in einem bunten Haus, das ein bisschen an die Villa Kunterbunt erinnert. Gemeinsam erleben sie immer wieder Abenteuer und stellen sich große Fragen, wie nach dem Sinn des Lebens oder der Bedeutung von Liebe. Warum sind meine Gefühle wichtig? Ist es okay, auch mal „nein“ zu sagen? Und warum ist Liebe für alle da? Mira und ihre Mitbewohner*innen schaffen es, Antworten zu finden, die Mut machen und eine vielfältige Gesellschaft aufzeigen. Mutig ist, wer zu sich selbst steht. Das Ziel dabei: eine bessere Welt, in der alle so sein können, wie sie sind, und in der alle respektvoll und achtsam miteinander umgehen. Die fünf Staffeln des Podcasts sind abwechslungsreich produziert. Kopernikus und McPieps sorgen immer wieder für Aufregung und häufig werden auch Tonaufnahmen von Kindern mit Fragen oder Statements eingespielt. Auch Musik spielt eine große Rolle, denn das Zauberklavier, das im fliegenden Haus steht, kommt immer wieder zum Einsatz – und sorgt bei den Hörer*innen für den ein oder anderen Ohrwurm. Die Zielgruppe sind Kinder von vier bis elf Jahren, aber mal ehrlich: Wer von den großen Menschen hätte sich nicht so einen Podcast als Kind gewünscht? Lisa-Marie Davies
„Mira und das fliegende Haus“, 20–35 Min., www.mira-welt.de
Diese Texte erschienen zuerst in Missy 04/22.