Interview: Rosalie Ernst

In deinen vorherigen Arbeiten „Im Land der Frühaufsteher“ oder „Bruchlinien“ hast du vorrangig dokumentarisch gearbeitet, während „abfackeln“ nun eine ganz intime, persönliche Geschichte erzählt. Wieso hast du die Perspektive gewechselt?
Die meisten meiner Bücher und Arbeiten sind realitäts- bzw. faktenbasiert und haben viel Recherche erfordert. Davon brauchte ich dringend eine Pause, sowohl von der Arbeitsweise als auch von den Themen her. Gleichzeitig ist das dann – ungeplanterweise – mit der Pandemie und den ersten Lockdowns zusammengefallen und dadurch konnte ich dieses Buch eigentlich in einem Guss schreiben. So war es mir möglich, in meinem eigenen Rhythmus zu arbeiten und ich bin durch diese Ausnahmesituation richtig in das Projekt eingetaucht.

Im Prozess konnte man ein paar Mal die Hauptcharaktere Ingken und Lily schon auf deinem Instagram-Account erspähen. Hast du sie durch diese vereinzelten Miniszenen erst richtig entdeckt und geformt?
In den Materialien war ich von Anfang an ziemlich sicher: Ich wusste, dass ich schwarz-weiß und vor allem mit Tusche zeichnen möchte. An den Figuren habe ich vor allem in meinem Skizzenheft gearbeitet und dort die zeichnerische Sprache entwickelt. Die Geschichte kam erst später dazu. Ingken und Lily haben sich in meinem Skizzenheft schon gefunden, als ich noch an einer Kunsthochschule angestellt war. In der Phase hatte ich zu wenig Zeit, um eine längere Geschichte zu entwickeln, das ging dann mit dem Lockdown und nach meiner Kündigung los. Im Skizzenbuch war ich aber viel freier und dort haben sich die Figuren ganz langsam herauskristallisiert.

Fiel es dir schwer, die beiden in ihrer Körperlichkeit zu entwickeln, da ebendiese ja durchgehend hinterfragt wird bzw. Lily bereits am Ende eines tr…