Fake Tags
Meine Obsession mit Markenklamotten fing an, als ich elf war. Auf meine schwarze Woolworth-Federmappe malte ich mit weißem Edding die Logos meiner liebsten Brands: Fila, Nike, Adidas, Puma. Das war mein erstes Bootleg-Piece aus DIY-Herstellung. Der Großteil meiner vermeintlichen Markenkleidung bestand ebenfalls aus Bootlegs, also Fakes, in den Sommerferien auf Teherans Bazars eingekauft oder von Verwandten mitgebracht bekommen. Jedes Jahr aktualisierte ich meine Liste der Marken, nach der bitte Ausschau gehalten werden sollte, denn die Trends wechselten schließlich. In der sechsten Klasse gab ich meinem Stil mit einem hellblauen T-Shirt von Esprit (mit einem Alex-Etikett an der seitlichen Naht) einen Hauch von Pferdemädchen, im Jahr darauf wurde es die sportliche Pusher-Bag von Puma. So selbstbewusst wie mit meiner kreativen Sportmarken-All-Stars-Federmappe ging ich mit der Fakeness meiner Kleidung jedoch nicht um: Natürlich waren es Originale, falls jemand fragte. So wie die Gucci- und Louis-Vuitton-Taschen meiner Mutter oder die Dolce & Gabbana- Baguette-Handtasche, die

meine Cousine ganz selbstverständlich zur Schule trug. Während ich in Deutschland vormachte, meine Markenware sei echt, liebte ich im Iran die offensichtlichsten Bootlegs wie Adidos-Sporttaschen, Logo-Markennamen-Scheren und erfundene Brands wie D12 Eminem, die man als annähbare Labels rollenweise auf dem Markt kaufen konnte. In einer faken Welt gibt es keine Realness, so viel war klar. Die Nasen meiner weiblichen Familienmitglieder waren nicht „echt“, genauso wie die aufgesetzte Harmonie, wenn wir Besuch hatten, und das mir zugeschriebene Mädchensein, das mein Tomboy-Ich in Beklemmungen versetzte. Heute feiere ich meine Liebe für Bootlegs, etwa mit einem T- Shirt, auf dem Sonic, Harry Potter und Obama aufeinandertreffen. Es ist fast so gut wie mein Pulli aus dem Kindergarten, auf dem die Ninja Turtles ein Kiki mit Mickey Mouse hatten. Kapitalistische Sehnsüchte lassen sich schwer umgehen, doch wir können uns für einen Moment vormachen, sie auszudribbeln. Hengameh Yaghoobifarah

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