Kein Grund zu feiern!
Kolumnist*in:
Feministische Familiensprechstunde von Josephine Apraku
Manchmal habe ich einen Plan, wozu ich in meiner monatlichen Kolumne etwas schreiben möchte, und dann kommt das Weltgeschehen dazwischen. Heute ist es die Gleichzeitigkeit der vorgesehenen Streichung des Paragrafen 219a in Deutschlands Strafgesetzbuch (StGB) (Ärzt*innen dürfen nun öffentlich machen, dass sie Schwangerschaftsabbrüche durchführen, bzw. welche Art der Abbrüche sie vornehmen) und die Entscheidung des US-amerikanischen Supreme Court, der das Recht auf Schwangerschaftsabbrüche gekippt hat. Beide Entscheidungen haben zur Folge, dass der Mehrheit der Menschen in beiden Ländern das Recht auf körperliche Selbstbestimmung abgesprochen wird.
Der Schock über die Entscheidung in den USA mit ihren möglichen Konsequenzen, der nicht nur dort, sondern auch hier spürbar ist, ist berechtigt. In den letzten Tagen habe ich einige Posts in den sozialen Medien wahrgenommen, die die Abschaffung von 219a gefeiert haben. Und ich frage mich, warum? Denn in Deutschland ist die Sache mit der Streichung von 219a keineswegs geklärt: 219a ist doch vor allem deshalb bedeutsam gewesen, weil Schwangerschaftsabbrüche ich Deutschland im Strafgesetzbuch stehen und sie nur unter bestimmten Vorrausetzungen straffrei sind.
Ich habe vor nicht einmal einem Jahr selbst einen Schwangerschaftsabbruch durchlebt und diese Erfahrung war für mich wirklich nachhaltig übel. Aber: Mein Zugang dazu ist vergleichsweise gut. Ich war problemlos in der Lage, die Kosten des Abbruchs selbst zu tragen, ich spreche fließend Deutsch, ich habe therapeutische Unterstützung, wenn ich etwas verarbeiten muss, ich habe ein Umfeld, das mich nicht verurteilt – um nur ein paar Dinge aufzuzählen. Das haben viele Menschen nicht. Mein Punkt ist, dass die Tatsache, dass Schwangerschaftsabbrüche kriminalisiert werden – selbst, wenn sie wie in Deutschland unter bestimmten Umständen durchgeführt werden dürfen –, dazu führt, dass der Zugang zu ihnen nicht gleichberechtigt sein kann. Deshalb halte ich den internationalen Vergleich für sinnvoll. Nicht, um herauszustellen, dass die Situation rund um Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland vermeintlich so gut ist – ist sie nicht –, sondern, um wahrzunehmen, dass die Ideologien der Unterdrückung intersektional sind. Schließlich sind es die gleichen Menschen – intersektional privilegierte Menschen –, die insbesondere für intersektional marginalisierte Menschen, verheerende Entscheidungen treffen (wollen).
Wenn ich schreibe, dass menschenverachtende Ideologien intersektional sind, dann meine ich im Hinblick auf Schwangerschaftsabbrüche, dass die politische Entscheidung, diese weiterhin zu kriminalisieren, nicht lediglich cis Frauen oder Menschen mit Uterus negativ betrifft. Schließlich handelt es sich hierbei um den Eingriff in die Selbstbestimmung, der ein grundsätzliches rechtliches und politisches Machtmittel gegen marginalisierte Gruppen, so etwa auch trans Frauen, ist. Deshalb ist es auch so wichtig, dass wir in der Frage nach reproduktiver Selbstbestimmung nicht lediglich cis Frauen zentrieren. Denn wenn wir das tun, wiederholen wir den Eingriff in die reproduktiven Rechte von Menschen, die nicht gebärfähig sind, dann wiederholen wir die Vorstellung, dass „richtige Familien“ aus (cis) Mutter, (cis) Vater und (cis) Kindern bestehen.
Bitte versteht mich nicht falsch, es geht mir nicht lediglich darum, dass der Paragraf 218 weg muss – das muss er dringend, denn auch hier wäre es aktuell grundsätzlich möglich, den Paragraf 218a, der Schwangerschaftsabbrüche unter bestimmten Umständen möglich macht, zu streichen und dann sind wir nicht weit von der Situation in den USA entfernt. Es geht mir darum, dass Schwangerschaftsabbrüche auch gesellschaftlich entkriminalisiert werden müssen. Das heißt wir brauchen einen Diskurs darum, in dem Menschen sich deutlich weniger wohlfühlen, Menschen dazu zu bringen sich zu rechtfertigen, warum sie denn just zu diesem Zeitpunkt in ihrem Leben kein Kind haben wollen. Wir brauchen mehr Bildung, die einen Schwangerschaftsabbruch nicht als worst case scenario darstellt, sondern als gängigen Teil gesundheitlicher Versorgung. Und wir müssen verstehen, dass Schwangerschaftsabbrüche kein Thema sind, dass nur cis Frauen negativ betrifft. Das ist es, was wir brauchen.
Eine letzte Frage habe ich übrigens: hetero cis Typen, warum seid ihr eigentlich so zurückhaltend? Dieser Stuff betrifft euch auch und da können wir gern klein anfangen: Wie viele eurer Partnerinnen – konkreter die mit Uterus – haben schon mal die „Pille danach“ genommen? Fun Fact: 2017 wurde die „Pille danach“ immerhin knapp 800.000-mal verkauft und die Zahl steigt seitdem. Die Tatsache, dass ihr mehrheitlich nicht meint euch einbringen zu müssen kann ich nur so deuten:
- Ihr rafft nicht – mir ist unerklärlich, warum –, dass ihr potenziell auch davon profitiert (habt), dass es die Möglichkeit eines Schwangerschaftsabbruchs gibt und das es wünschenswert wäre, wenn Menschen sogar noch besser versorgt würden.
- Ihr fühlt euch in dieser patriarchalen Gesellschaft so sicher, dass ihr annehmt, dass ihr, wenn ihr nicht selbst dringend wollt, keine Verantwortung für die von euch gezeugten Kinder übernehmen müsstet.
- All oft he above.