In ihrer Autobiografie „Face It“ schreibt Debbie Harry, als Kind habe sie ihr Aussehen gehasst und dennoch nicht aufhören können, sich zu betrachten. Sie habe ja nicht ahnen können, dass es ihr Gesicht sein würde, das der Band Blondie später zu Ruhm verhelfen würde. Ein Gesicht, nach dem sich die Leute schon immer umgedreht hätten. Ähnlich erging es mir. Als mein Patenonkel mir zum fünften Geburtstag einen Spiegel schenkte, begann ich, mich stundenlang davor und aus jedem Winkel zu betrachten. Er zerbrach, als ich irgendwann beschloss, mich daraufzuknien, um zu kontrollieren, wie ich denn in dieser Position aussah. Und mein Gesicht: Ob nun geschminkt oder nicht, frisch gespritzt, vom

Schlaf oder dem Mangel daran zerknautscht, schmaler, voller, blasser, sommersprossiger – man starrt mir hinein. Auf von schmerzlich ehrlichen Teenagern überlaufenen Plattformen wie TikTok machen ebenjene sich in der Kommentarspalte gern darüber lustig: „Wie heißt noch mal das Faultier von ‚Ice Age‘?“ Der Abstand zwischen meinen Augen ist eine einfache Pointe, die ich mittlerweile vorwegnehme. Dabei fällt er mir selbst gar nicht wirklich auf. Die Größe meiner Augen ist, was mir an mir selbst mitunter am besten gefällt. Ihr silbern-desolater Ausdruck – eine weitere Gemeinsamkeit mit meiner Ikone. Bisexuelle Frau mit kaputt blondierten Haaren macht Rockmusik! Als Ausnahme in einer Branche, in der cishet Dudes für halbherzige Gitarrendudeleien wie Halbgötter in Hawaiihemden verehrt werden, klammere ich mich an jedes weibliche Leitbild, mit dem ich mich irgendwie identifizieren kann. Im Falle Debbie Harrys geht es weit über „irgendwie“ hinaus.