Von Nadia Shehadeh

Irgendwann im Sommer 2015 landete ich nach einer durchzechten Nacht im Fitnessstudio, schleppte mich auf den Crosstrainer und platzierte eine zerfledderte Lesezirkel-Ausgabe vom „Stern“ auf der Display-Ablage. Ich begann fix und fertig mein Training und schlug eine beliebige Seite auf, und da war sie: schwarzer Rollkragenpullover, blondes Haar, stahlblaue Augen. An die Headline kann ich mich nicht mehr erinnern, aber es ging in die Richtung „Diese Frau wird das Gesundheitssystem revolutionieren“. Wer ist denn diese Nervtrine jetzt schon wieder, dachte ich und las mich schlechtgelaunt durch den dazugehörigen Artikel. Ich lernte, dass es sich um die US-amerikanische Unternehmerin Elizabeth Holmes handelte, die mit ihrer Firma Theranos, die angeblich revolutionäre

Bluttestgeräte herstellt, bereits Milliardärin geworden war. Zwischen uns hätten nicht mehr Welten liegen können: ich, die partywütige Berufsjugendliche, deren größter Erfolg es damals war, nach einer Partynacht nicht auf dem Sofa, sondern beim Sport zu landen. Auf der anderen Seite des Ozeans eine junge Selfmade- Unternehmerin, die nicht nur aufgeblasene Träume hatte, sondern auch das Zeug dazu, sie zu verwirklichen. Und die dazu noch der Menschheit einen großen Dienst erwies, da sie Bluttests herstellte, die für alle erschwinglich und zugänglich sein sollten. Keine Frage: Ich entwickelte, auch wenn es weder nobel noch feministisch von mir war, direkt Antipathien. Girlboss-Frauen traute ich nämlich noch nie über den Weg. Nervige Kuh, dachte ich, als ich den „Stern“ wieder ins angestaubte Magazinregal zurückpackte. Ich ahnte noch nicht, dass Elizabeth Holmes mich eines Tages noch mal auf ganz andere Art und Weise unterhalten sollte – nämlich Jahre später, als enttarnt wurde, dass ihr revolutionäres Bluttestg…