Interview: Shireen Broszies

Gibt es bestimmte Emotionen oder Geschehnisse, die du in deiner Kunst verarbeitest?
Vieles berührt mich. Ich bin eine arabische Frau und Mutter in einer konservativen arabischen Gesellschaft. Für mich wirken die Gesichter der Frauen oft traurig oder verloren. Ich kann mein Leiden nicht verleugnen, während ich versuche, diese Erfahrung und diese bewusste Verzerrung in jeden Zentimeter meiner Bilder zu übertragen. Der Weg dorthin war nicht einfach, ich musste einen harten Kampf mit mir selbst austragen, bis diese seltsamen Gesichter, die mir ähnlich sehen, in meinen Bildern erschienen sind.

Neben verzerrten Gesichtern finden sich Organe, Tiere und Pflanzen in deiner Kunst, in manchen Bildern sind diese miteinander verwoben, ohne klare Trennlinie. Was möchtest du damit ausdrücken?
Mein Gesicht und mein Körper sind eine Landkarte, mein Mund neigt sich dem Meer zu und ist nie gesättigt, meine Nase ist gebrochen oder verlängert, in zwei Hälften gespalten, die einige der verbliebenen Düfte in meinem Gedächtnis nachzeichnen. Und obwohl die Erde meine Züge verstreut hat, könnte nichts mein Gesicht enthalten als ebendiese Erde.

Du zitierst oft Franz Kafka, hat Kafka dich beeinflusst? Wenn ja, wie?
Kafkas Texte sind meinen Bildern sehr ähnlich, sie sind turbulent, verzerrt und verängstigt, so wie viele von uns.

Was inspiriert dich?
Ich bin eine ägyptisch-afrikanische Künstlerin. Ich leugne nicht, dass ich aus einem Land komme, das eher der europäischen Kunst zugeneigt ist, aber für mich war afrikanische Kunst ein Tor zu unendlicher Schönheit, zu Gesichtszügen, Mode, Natur, Straßengraffiti – all das ist für mich inspirierend.

Dieser Text erschien zuerst in Missy 05/22.