Von Josephine Apraku

Wir sitzen an einem Tisch, in einer kleinen Wohnung, in Berlin Wannsee. An diesem Abend im Herbst lerne ich deine Mutter kennen. Als sie uns das zweite Glas Wein einschenkt, frage ich mich, ob sie genauso nervös ist wie ich. Für mich bedeutet das Kennenlernen „der Familie“ schon damals – mit dir ist es meine zweite Beziehung – Stress. Das Beäugt-Werden und das Auf-dem-Prüfstand-Stehen kenne ich aus meinem Alltag. Und obwohl ich zu dieser Zeit noch keinen Begriff für Mikroaggressionen habe, spüre ich die vielen kleinen Schnitte, die ich auch in meinen Liebesbeziehungen erfahre, deutlich. Wir fahren in ein Restaurant. Du fährst. Deine Mutter und ich kichern beschwipst. Beim Essen erzählt sie von ihrer neuen Partnerin und dass sie Bezüge zu „Afrika“ hat. Naiv nehme ich im ersten

Moment an, dass ihre Partnerin Schwarz ist. In diesem Moment fühle ich mich kurz ein bisschen sicher. Das ist sie, lerne ich schon an diesem Abend – ohne, dass es im Gespräch gesagt wird oder werden müsste –, nicht. Deine Mutter fragt mich, ob ich ihr etwas „über Afrika“ erzählen könne. Als sie diese Worte ausspricht, ist es, als würde sie über ein Mysterium sprechen, über etwas, das sich dem menschlichen Wissen gänzlich entzieht. Erinnerst du dich daran? Oder erinnere nur ich mich, weil dieser Satz für dich damals noch bedeutungslos war?

Jahre später, das weiß ich an diesem Abend noch nicht, ist es die Einladung deiner Familie, gemeinsam zu einer Lodge nach Namibia zu fahren, die zwischen uns Streit auslöst. Du willst unbedingt mit, ich hingegen kann mir kaum etwas Ätzenderes vorstellen, als mit einer weißen Familie in Namibia auf irgendeiner Lodge zu sein und deren gönnerhaftes Gehabe gegenüber anderen Schwarzen Menschen ertragen zu müssen. Im …