Feministische Familiensprechstunde von Josephine Apraku

Ich muss in letzter Zeit viel an eine Allegorie denken, der ich im Rahmen meines Studiums beim Lesen eines Aufsatzes über kolonialen Widerstand begegnet bin: Während der Kolonialzeit wurden weiße Menschen von Menschen im heutigen Tansania als Vampire betrachtet – weil sie im wahrsten Sinne der Worte das Leben aus den Körpern Schwarzer Menschen saugten. Versinnbildlicht wurde mit dieser Vorstellung das Tötende, das Erstickende, das Beengende, das die koloniale Besetzung und Ausbeutung überall zur Konsequenz hatte.

© Xueh Margrini Troll

Auch für heutige Verhältnisse erscheint mir diese Allegorie treffend, denn die Ausbeutung und all die Vorstellungen, die in diesem Zusammenhang mit Schwarzen und weißen Körpern verbunden wurden, umgeben uns noch immer: Der weiße Körper ist fragil. Der Schwarze Körper ist belastbar – so belastbar, dass er all das kann, wofür der weiße Körper zu edel und eben zu fragil ist. Meine Worte mögen überspitzt klingen, aber das sind sie nicht. In der medizinischen Versorgung werden Schwarze Menschen auf dieser Grundlage noch immer unterversorgt und erhalten etwa nicht angemessene Dosen von Schmerzmitteln.

Ich muss in diesem Zusammenhang auch an Minority Stress denken und daran, dass die beständige Erfahrung mit Rassismus zu einer biologischen Realität werden kann, nämlich der schnelleren Abnutzung des Körpers. Diese schnellere Abnutzung kann Unterschiedliches zur Folge haben, etwa eine höhere Wahrscheinlichkeit, an Krebs zu erkranken, eher Depressionen, Angststörungen oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu bekommen. Kurz: Rassismus selbst tötet, auch ohne dass dafür direkte Gewaltausübung notwendig ist – er verkürzt Leben. Warum ich das schreibe? Weil ich mich frage, was es mit mir und anderen Schwarzen Menschen macht, kaum verbildlichte Vorstellungen davon zu haben, wie Altsein aussehen könnte.

Josephine Apraku

ist nicht mehr ganz so neues Elternteil, macht Bildungsarbeit zu Diskriminierungskritik, schreibt Dinge und gründet gerade neu.

Es ist ein seltsames Gefühl, nur selten eine ältere Version von mir selbst im Straßenbild zu sehen. Ich kann kaum benennen, was es genau ist, oder das Gefühl beschreiben. Was ich mit Bestimmtheit sagen kann, ist, dass da eine gewisse Trauer ist. Wenn ich durch die Straßen laufe, sehe ich keine Zukunft. Ich sehe nicht, wie alte Schwarze Menschen auf einer Parkbank sitzen und die Sonne genießen. Ich sehe nicht, wie alte Schwarze Menschen mit ihren Enkelkindern ein Eis essen. Ich sehe auch nicht, wie alte Schwarze Menschen in der Bäckerei ihr Brot in den Korb ihres Rollators legen.

Ein großes Stück von alltäglicher Realität fehlt, eines, in dem Schwarze Körper nicht mehr leben, um zu leisten. Eines, in dem unsere Körper keinem Zweck mehr dienen. Eines, in dem wir vielleicht etwas mehr uns selbst und weniger den kapitalistischen Zwängen gehören. Wenn ich also von strukturellem Wandel spreche, dann geht es mir nicht nur darum, dass Schwarze Menschen einen besseren Zugang zu Bildung oder Arbeit haben. Es geht mir darum, dass unsere Leben auch dann von Bedeutung sind bzw. sein dürfen, wenn all diese Zugänge für unser persönliches Leben nicht mehr relevant sind.