Interview mit Nina Noblé: Merle Groneweg

Im Oktober 2020 seid ihr mit einem Gesetzesentwurf für „gemeinwohlorientierte Straßennutzung“ an die Öffentlichkeit gegangen. Was verbirgt sich dahinter?
Wir möchten den Autoverkehr in Berlin deutlich reduzieren. Aktuell werden dem Auto sechzig Prozent der Verkehrsflächen in der Stadt eingeräumt, obwohl nur 14 Prozent der Wege innerhalb des S-Bahn-Rings damit zurückgelegt werden. Wir wollen nicht, dass Straßen für Autos da sind, sondern den Spieß umdrehen: Das Auto soll nur ausnahmsweise fahren. Um zu zeigen, dass das keine Spinnerei ist, haben wir einen Gesetzesentwurf vorgelegt. Konkret schlagen wir vor, dass innerhalb des S-Bahn-Rings kaum noch Autos fahren dürfen. Ausnahmen gibt es z. B. für den Lieferverkehr, zur Beförderung von Menschen mit Mobilitätseinschränkungen sowie für zwölf private Fahrten pro Jahr. 

Die Vorstellung einer autofreien Stadt wird häufig als radikale Utopie empfunden – und von vielen abgelehnt. Warum habt ihr euch für diese Zuspitzung entschieden, statt bspw. auf den Ausbau von Alternativen zu setzen?

Der Begriff „autofrei“ war im Team lange sehr umstritten. Aber wir haben uns dafür entschieden, eine klare Ansage zu machen. Unser Ansatz ist konsequent: Wenn wir die Klimakrise ernst nehmen, dann brauchen wir keine kleinen Maßnahmenpakete, sondern eine große Vision. Wie soll die Stadt der Zukunft aussehen? Bisher werden der ÖPNV und die Radwege zwar ein bisschen ausgebaut, doch das führt kaum zu einer tatsächlichen Zurückdrängung des Autoverkehrs. Dabei müssen wir den Autos Platz und Privilegien wegnehmen! Das ehrlich zu benennen, stößt natürlich auf Widerstand. In unserer Kommunikation setzen wir deshalb immer stärker darauf, die positiven Auswirkungen der Autoreduktion in den Vordergrund zu stellen. 

© María Victoria Rodriguez

Das wird…