Lethargie hinter vier Türen
Mehrmals täglich sitze ich völlig sinn- und ziellos minutenlang in meinem geparkten Auto und starre. Ich tue einfach nichts und wenn ich ehrlich bin, dann denke ich in diesen Momenten auch einfach an nichts. Es ist meine Me-Time, so glaube ich, in der ich einen Liter Schokomilch wegtrinke. Ich bin nur Fleisch im Raum, ein leerer Arbeitskraft-Container. Kein Bock auszusteigen und anzupacken. Draußen ist Stress. Kapitalistische Verwertungslogik? Nein, danke.

Was sich wie heitere Lethargie, hedonistisch und widerständig anfühlt, ist es wahrscheinlich nicht. Statt meine gewonnene Freizeit sinnstiftend zu nutzen, verfalle ich in diesen leicht narkotischen Zustand, glotze, drücke auf meinem Handy herum. Mir müsste langweilig sein, ist es aber nicht. Der Kulturkritiker und Philosoph Mark Fisher würde diesen Zustand als Ausdruck spät- kapitalistischer depressiver Hedonie beschreiben. Für ihn ist diese Lethargie soziale Folge neoliberaler Politik und kein individuelles Problem. Der Drang nach marktkonformer Selbstverbesserung, fortlaufender Introspektion, Unsicherheit der Lebensplanung, Überforderung und eben Lethargie seien verinnerlichte Manifestationen dieser Politik. 

Und so ist es nicht verwunderlich, dass ich nicht als Einzige in meinem Auto vor mich hin starre: Ich weiß aus Gesprächen mit anderen, dass auch sie sich mindestens einmal am Tag in ähnlich leidenschaftsloser Position in ihrem Auto wiederfinden. Wenn es spruchrei…