Feministische Ikonen: Jovana Reisinger über Gisela Elsner
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Vor sieben Jahren, an einem grauen Berliner Nachmittag, wurde mir „Heilig Blut“ von Gisela Elsner in die Hand gedrückt. Dies geschah mit einem Lächeln, das suggerierte: Das hier, das ist etwas für dich. Das Buch, ihre Texte, diese Schriftstellerin – sie sind ein Schatz, einer, dessen Entdeckung mein literarisches Leben veränderte. Die Welt, die Gisela Elsner in „Heilig Blut“ erschaffen hat, ist unwirtlich. Es ist Winter, wir befinden uns auf dem Land und müssen mit vier Männern durch den Schnee laufen. Eine unangenehme Herausforderung, die durch das Kennenlernen besagter Herren unerträglich wird. Zudem sind Wölfe ausgebrochen, wahrscheinlich bereit, jede*n zu zerfleischen. Es ist furchtbar, denn wir müssen auf die Jagd.
Zusammengefasst dreht sich die Geschichte, wie häufig bei Gisela Elsner, um toxische Männlichkeit, Abscheulichkeit und Konfrontation. Herausfordernd und einnehmend ist dabei besonders Elsners Sprache. Schonungslos und distanziert beschreibt sie ihre Protagonist*innen. Sie lässt sie auftauchen, hinfallen, verschwinden, grässliche Taten vollbringen und nicht selten seitenweise inhaltsleere Dialoge führen, die jene eingeschriebenen Verhaltensweisen offenbaren und ad absurdum führen, die Elsner zeitlebens als antifaschistische Autorin kritisierte. Überliefertes Rollenverständnis, rechte Ideologien im Deckmantel der Tradition und andere identitätsstiftende Brauchtümer, gesellschaftliche Ungerechtigkeiten, Scheinheiligkeit. Ihr Stil, ihre Radikalität, nicht nur im Umgang mit ihren Figuren, haben mein eigenes Schaffen nachhaltig geprägt. Als meisterhafte Leistung bewundere ich, wie sie mit einer präzisen Unnachgiebigkeit auf Missstände hinweist und dabei nie den Humor verliert. Ganz im Gegenteil.Teile diesen Artikel