Von Nelli Tügel
Illustration: Antimimosa

Wegen sechs Euro muss Gisa März sechs Monate ins Gefängnis. Seit Anfang November sitzt die 56-jährige Düsseldorferin in der Justizvollzugsanstalt Willich. Im Jahr 2019 war sie zweimal ohne Fahrschein kontrolliert und daraufhin zu sechs Monaten auf Bewährung und 200 Sozialstunden verurteilt worden. Als Gisa März diese nicht in vollem Umfang ableistete, wurde die Bewährung aufgehoben. „Das Beispiel ist ein bisschen abgedroschen, aber: Uli Hoeneß hat 28 Millionen Euro Steuern hinterzogen und dafür nur neun Monate gesessen – Gisa soll sechs Monate wegen sechs Euro eingesperrt bleiben. Er hat Topanwälte, unsere Leute haben niemanden“, sagt der Streetworker Oliver Ongaro vom Düsseldorfer Straßenzeitungsprojekt „fiftyfifty“. Er und andere unterstützen Gisa März, sie kennen sich

schon lange.  Auch die Folgen einer armenfeindlichen Rechtsprechung kennt Ongaro bereits seit Jahren. Viele Verkäufer*innen der Straßenzeitung, die in diesen Tagen für die Freiheit von Gisa März protestieren, saßen selbst schon wegen Fahrens ohne Fahrschein im Gefängnis. „Die Knäste sind voll mit armen Menschen“, sagt Ongaro, bei „fiftyfifty“ hätten sie dauernd damit zu tun. Mitunter summiere sich eine Reihe von Bagatellen zu langen Haftstrafen: „Kleiner Diebstahl, dann ohne Fahrschein erwischt, nicht bezahlte Geldstrafe, das läppert sich zusammen und dann verschwinden Leute schon mal für zwei Jahre“, erklärt er. Fast immer trifft es Menschen, die in prekären Lebenssituationen stecken – oft wohnungslos sind, mit psychischen oder chronischen Erkrankungen zu kämpfen haben und über keinerlei finanzielle Ressourcen verfügen. Auch Gisa März hat auf der Straße gelebt, bis sie vor einigen Jahren wieder eine Wohnung bezog. Sie muss regelmäßig mit dem ÖPNV Wege zur Suchtambulanz z…