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„Untenrum“ ist das erste Bildersachbuch für Kinder der Sexualpädagog*innen Noa Lovis Peifer und Linu Lätitia Blatt alias „glitterclit“. Gemeinsam mit der Illustratorin Yayo Kawamura wollen sie Menschen zu einem kreativeren und sensiblen Umgang mit Sprache ermutigen. Und haben damit nicht zuletzt ein Buch für sich selbst gemacht.

„Du bist nicht schuld daran, dass du das nicht wusstest!“, sagen Noa Lovis Peifer und Linu Lätitia Blatt mit Nachdruck. „Wie sollen wir auch mehr über die Klitoris lernen, wenn es vor 2022 keine einzige vollständige Darstellung in Schulbüchern gab?“ Jetzt ist es 2023 und zum Glück gibt es „Untenrum“. Denn das erste Kindersachbuch der beiden Sexualpädagog*innen und Gründer*innen des Kunstkollektivs glitterclit ist ein immenser Schritt auf dem Weg, die Lücken, die im Kinder- und Jugendbuchsektor in puncto Körperwissen und Wissensvermittlung, Genitalvokabular und Vorbeugung sexualisierter Gewalt immer noch klaffen, auf spielerische und sprachkreative Weise zu schließen.

„In den letzten Jahren ist bei Kinderbüchern viel passiert, worüber wir uns freuen“, beobachten Linu und Noa, machen in ihrer Workshop-Arbeit bei profamilia und einem queeren Bildungs- und Antidiskriminierungsprojekt aber immer wieder die Erfahrung, dass sich Körperwörter und -wissen zum Thema Genitalien nach wie vor in einem schambesetzten, zumeist unaussprechbaren Bereich bewegen. Eine Unaussprechbarkeit, die laut Linu oft dafür sorgt, dass Menschen nicht benennen können, was sich in ihrem Intimbereich gut anfühlt und was sie sich sexuell wünschen – oder eben gar nicht mögen. „Außerdem finden wir es schade, dass Genitalien oft synonym mit Geschlecht(er-Rollen) verstanden werden. Dabei sagt der Intimbereich einer Person einfach nullkommanull darüber aus, ob es sich dabei um einen Mann, eine Frau oder eine nicht-binäre Person handelt. Das kann uns nur die zugehörige Person selbst sagen – wenn sie Bock hat, es mit uns zu teilen!“

Aus dem Bedürfnis, Sexualpädagogik als Vermittlung von sexueller und geschlechtlicher Vielfalt statt „Sexualaufklärung“ als Reproduktionslehrstunde um- und vor allem anschaulicher zu denken, ist schließlich das künstlerische Projekt glitterclit entstanden. Als solches entwerfen und fertigen Noa und Linu glitzernde, kuschelige Genitalmodelle für die sexuelle Bildung wie Penelope Penoden (Penis-Hoden) oder Viola, die Vulvina – in Handarbeit, zum Anfassen. „Wir finden es wichtig, niedrigschwellig Gesprächsanlässe zu schaffen, in denen sexuelle und queere Bildung stattfinden kann – ohne zu überrumpeln, zu überfordern oder zu beschämen.“

Ein Anspruch, dem Linu, Noa und Illustratorin Yayo Kawamura nun auch in „Untenrum“ gerecht werden. „Wir selbst hätten uns als Kinder ein Buch gewünscht, das uns all das Wissen vermittelt“, erinnert sich Linu an die ersten Ideen vor zwei Jahren. „Für unser eigenes Buch haben wir uns darauf fokussiert, zu einem selbstbestimmten, sprachkreativen Zugang zu Genitalien einzuladen.“ Das Buch richtet sich aber auch an Erwachsene, die manchmal von Kinderfragen überfordert sind und durch „Untenrum“ ermutigt werden sollen, nicht so streng mit sich zu sein. Das Credo der beiden Sexualpädagog*innen: „Ihr müsst nicht alles wissen!“ Aber Lernen durch Neugierde ist ausdrückliches Ziel und war nach 20 Jahren in der Kinder- und Jugendbuchillustration auch für Yayo der Motor, sich für die Zusammenarbeit mit glitterclit zu entscheiden. „Ich habe gemerkt, dass auch ich konventionelle Bilder sehr verinnerlicht habe, die ich im Rahmen dieses Projekts überdenken durfte. Ich fand es aber wichtig, das alles mit einer Leichtigkeit zu visualisieren, die Spaß macht – manchmal hat das mehrere Anläufe gebraucht.“

Anläufe, die schließlich zu Lo führten. Einem neugierigen, witzigen Kind, bei dem weder die Pronomen noch die Genitalien bekannt sind, das aber ganz klar Enten mag und Schwimmen – und jede Menge Fragen stellt. Was sie bedeuten, diese Untenrums, Untendrans oder Innendrins, zum Beispiel. Und welche lustigen Namen es für sie geben könnte. Ob es weh tut, wenn Mama „die rote Welle surft“. Und ob Babys auch in Hoden wachsen können.

„Interesse an Körpern und Wörtern ist nicht an ein bestimmtes Geschlecht und bestimmte Genitalien gebunden, sondern geht alle etwas an“, meinen Linu und Noa mit Blick auf einen Aspekt, der ihnen bei der Ausgestaltung von „Untenrum“ besonders wichtig war. „Als nicht-binäre trans Personen liegt uns der Charakter Onte Stef sehr am Herzen. Wir haben bisher noch kein Kinderbuch gefunden, in dem es explizit als solche benannte Personen gibt, die dann auch noch eine wichtige Rolle im Leben der Hauptfigur einnehmen.“ Und so steht Onte Stef auch sprachlich für das, was die beiden mit „Untenrum“ anstoßen wollen: Wenn es keine Wörter gibt, denkt euch welche aus! „Da wir selbst Onten sind, sind wir unglaublich glücklich darüber, dass Onte Stef es ins Buch geschafft hat und auf der zugehörigen Seite dazu eingeladen wird, darüber nachzudenken, welche weiteren Familienwörter es geben könnte.“

Einladungen, davon wimmelt es in „Untenrum“ nur so. Zum Sprechen, zum Entdecken, zum Spielen – aber immer unter Beachtung bestimmter Regeln. „Spiele, bei denen man den eigenen oder einen anderen Körper untenrum erkundet, sind nur für Kinder. Erwachsene dürfen dabei nicht mitmachen“, heißt es etwa in einer Szene in der Kita. „Das finden wir im Sinne der Prävention sexualisierter Gewalt superwichtig“, betonen die Macher*innen. Ganz anders auf der sprachlichen Ebene: Da sind nämlich alle zum Mitspinnen eingeladen, und das nicht nur im Kindergarten. „Kosenamen haben oft etwas sehr Liebevolles, Humorvolles“, schließt Illustratorin Yayo. „Das zeigt irgendwie auch, wie nah wir uns und unseren Körpern sind, und dass wir zu unserer Einzigartigkeit stehen können.“

Noa Lovis Peifer, Linu Lätitia Blatt & Yayo Kawamura
„Untenrum. Und wie sagst du?“
Beltz & Gelberg, 38 S., 16 Euro, ab 4 Jahren
www.beltz.de

Mehr zu den Autor*innen: glitterclit.com | www.koerperwoerter.de | Instagram: @glitterclit_